Filmplakat von Weiße Zeit der Dürre

Weiße Zeit der Dürre

107 min | Drama, Thriller | FSK 16
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Soweto, Südafrika, 1976. Bei einer friedlichen Demonstration wird ein schwarzer Junge verhaftet, dann mißhandelt. Sein Vater, ein gutmütiger Schulgärtner, wendet sich hilfesuchend an den weißen Lehrer Du Toit, der beschwichtigt. Als sowohl der Inhaftierte, als auch dessen Vater unter mysteriösen Umständen verschwinden, beginnt Du Toit zu kämpfen. Mit der Hilfe eines engagierten Anwalts zieht er vor Gericht und manövriert sich damit zunehmend ins soziale Abseits der rassistischen Gesellschaft.

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Filmkritik

Auch nach " Weiße Zeit der Dürre"muß der wirklich gute, umfassend informierende Südafrika-Film noch gedreht werden. Doch ist "Weiße Zeit der Dürre" wesentlich aufschlußreicher als seine Vorgänger "Schrei nach Freiheit" und "Zwei Welten"{ (fd 27120)), weil er nicht nur die Konsequenzen der unmenschlichen Apartheid-Politik beschreibt, sondern seine größte Aufmerksamkeit dem geistigen und gesellschaftlichen Hintergrund widmet, vor dem dieses System überhaupt möglich ist. Auch dieser Film verpaßt die Chance, dem Zuschauer wenigstens ansatzweise die historischen Wurzeln der Apartheid klarzumachen, geschweige denn, daß er das gebrochene, von Antipathien beherrschte Verhältnis der weißen Afrikaner zu den Engländern erklären würde. Aber er konfrontiert nicht nur mit den Auswüchsen der südafrikanischen Politik, sondern immerhin ebenso mit dem selbstherrlichnaiven kolonialisatorischen Bewußtsein der weißen Bevölkerung, die jahrzehntelang die Augen vor der Realität verschlossen hat.

Zentrale Figur des im Jahre 1976 spielenden Films ist der weiße Lehrer Ben du Toit (Donald Sutherland), der sein Leben lang in der Abgeschirmtheit seines idyllischen Familien- und Freundeskreises die Zeitungsberichte über Soweto, über brutale Polizeiaktionen gegen die Schwarzen und Folterungen in südafrikanischen Gefängnissen für kommunistische Propaganda und maßlose Übertreibung gehalten hat. Als der kleine Sohn seines schwarzen Gärtners aufgegriffen und blutig geschlagen wird, weil er bei der gewaltsamen Auflösung einer friedlichen Demonstration nicht schnell genug fliehen kann, hält du Toit deshalb nur einen einzigen Kommentar bereit: "Es muß schon einen Grund dafür geben." Damit haben die weißen Afrikaner ihr Gewissen über Jahrzehnte zu beruhigen versucht - mit der Ausrede, es müsse schon gute Gründe geben. Einer ihrer guten Gründe ist die (inzwischen nicht mehr von der Hand zu weisende) Furcht, die Schwarzen könnten mit Gewalt reagieren, würde man sie nicht in Grenzen weisen. Vor der Art und Weise, wie der südafrikanische Polizeistaat den Schutz der weißen Bevölkerung in blutigen Terror gegenüber den Farbigen umsetzt, hat man alle Sinne verschlossen. Ein sicherer Beruf, wirtschaftlicher Wohlstand, ein bißchen Polo und Rugby, ein angenehmes Leben mit preiswerten Bediensteten waren und sind die Stützpfeiler einer Ideologie des Nichts-Wissen-Wollens. Ben du Toit ist nett genug, für des Gärtners Jungen das Schulgeld zu bezahlen, doch wie die meisten in seiner Umgebung hat er nie ein soziales Gewissen entwickelt, verläßt er sich in naiver Gutgläubigkeit darauf, daß die von ihm gewählten Volksvertreter das Richtige tun. Weder die Prügel, die der kleine Schwarze bezieht, noch das spurlose Verschwinden des Jungen rütteln ihn auf. Aus Gutherzigkeit und Mitleid mit dem Vater geht er zwar zur Polizei, doch ohne auch nur im mindesten an den falschen Angaben zu zweifeln, die ihm dort gemacht werden. Erst als er herausfindet, daß der Junge umgebracht und der ebenfalls verhaftete Vater von einem sadistischen Captain der Spezialeinheit zu Tode gefoltert wurde, erwacht in ihm das Gewissen. Du Toit sammelt eidesstattliche Versicherungen und Zeugenaussagen, bis er einen renommierten, aber längst resignierten Anwalt (Marlon Brando) überzeugen kann, dem Captain den Prozeß zu machen. Doch wie ihm der berühmte, längst zum Zyniker und Melancholiker verkommene Anwalt von Anfang an klargemacht hat, wird der Captain freigesprochen.

"Weiße Zeit der Dürre" hat sich bestimmt mit "dem Vorwurf auseinanderzusetzen, daß der Held des Films wieder einmal ein Weißer ist. Schon "Schrei nach Freiheit" und ebenso der in den amerikanischen Südstaaten angesiedelte Film "Mississippi Burning" haben aus engagierten Kreisen der Farbigen deshalb heftige Kritik erfahren. Doch Euzhan Palcy, die 32-jährige, aus Martinique stammende Regisseurin, hat eine Antwort darauf. Auch sie wollte ursprünglich einen Film über Südafrika aus der Sicht der Farbigen machen, mit Schwarzen in den zentralen Rollen, gesehen durch die Augen eines kleinen, schwarzen Mädchens. Doch niemand in Hollywood war daran interessiert. "A Dry White Season" ist für Palcy ein Kompromiß, aber ein guter Kompromiß, weil Apartheid ohne Weiße gar nicht existieren würde und weil sie die Freiheit hatte, das darzustellen. In der Tat erweist sich die Figur du Toits unter ihrer Regie als eine Art Katalysator der Empfindungen und Ideologien, bis hin zu den Reaktionen seiner Kollegen, Freunde, ja sogar seiner eigenen Familie, die in aller Deutlichkeit klarmachen, was die Apartheid-Politik am Leben erhält.

Weniger noch als "Schrei nach Freiheit" kann der Film seine Herkunft aus einem kommerziellen System verleugnen. Obwohl argumentativ geschickt angelegt, zeigt er sich doch zu oft und zu sehr an dem interessiert, was ein Hollywood-Studio an Action und Emotion verlangt. Auch in dieser Hinsicht versucht sich die Regisseurin in Kompromissen, deren Resultat unterschiedlich ist, da ihr auch handwerklich die letzte Erfahrung fehlt. Doch trotz ihrer plakativen Gut-Böse-Dramaturgie verliert sie das Thema keinen Moment aus dem Blick und führt es rücksichtslos bis zur bittersten Konsequenz zu Ende. Man mag ihr manche Regie-Schwächen ankreiden, man mag ihr vorwerfen, den ohne Gage beteiligten Marlon Brando freischaffend chargieren zu lassen, als gehe es um eine Karikatur des Altmeisters Charles Laughton, doch ihr Anliegen versteht sie allen Widerständen zum Trotz zu vermitteln.

Erschienen auf filmdienst.deWeiße Zeit der DürreVon: Franz Everschor (28.3.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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