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Ab morgen bin ich mutig

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Hätte der zwölfjährige Karl sich aussuchen können, in wen er sich verliebt, die deutlich größere Lea wäre es vermutlich nicht geworden. Dass Lea demnächst die Schule wechselt, macht es nicht einfacher. „Andere Schule, andere Jungs!“, sagt Karls älterer Bruder Tom, und rät ihm, mal mutig zu sein. Karl lädt Lea in sein improvisiertes Badezimmer-Labor ein. Fotografieren und Bilderentwickeln ist seit Jahren Karls liebste Beschäftigung. Lea ist beeindruckt von Karls „Licht-Zauberei“ im Labor, aber die Zeit wird knapp für weitere Treffen. Es bleibt nur noch die Projektfahrt, bei der sich Karls Klasse für einen Werkstattfilm mit dem Arbeitstitel “Verliebt” entschieden hat. Plötzlich zeigt sich, dass Karl nicht allein ist mit seinem Problem.
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Dafür, welche große Rolle die Schule im Leben von Kindern und Jugendlichen spielt, nimmt dieses Soziotop mit seinen Interaktionen und Emotionen in den meisten deutschen Kinderfilmen einen nur erstaunlich kleinen Teil ein – sieht man einmal ab von den erstaunlicherweise immer noch sehr beliebten Internatsfilmen zwischen „Das fliegende Klassenzimmer“, „Hanni & Nanni“ und natürlich all den magisch aufgeladenen Varianten.

Jene Filme allerdings, die – ob dramatisch und humoristisch überhöht oder sehr ernsthaft – genauer anschauen, wie Kinder sich verhalten, zeigen dann doch, wie weit sich das Land seit den Pennälerfilmen der 1960er-Jahren entwickelt hat. „Sieger sein“ (2024) zum Beispiel zeigte eine Grundschule im Wedding als Sammelpunkt migrantisch geprägter Familienbiographien und sozialer Herausforderungen, und feierte die Schule in all ihrer Unvollkommenheit als Ort der gelingenden Gemeinschaftsbildung.

Entspannt und sehr zivilisiert

Bernd Sahling macht es sich da in „Ab morgen bin ich mutig“ etwas leichter: Seine Geschichte spielt an einer Schule mit recht homogener Schulgemeinschaft, es wird entspannt und sehr zivilisiert in sauberem Hochdeutsch diskutiert. Überhaupt ist der Umgang miteinander insgesamt so rücksichtsvoll, dass diese Schule ein wenig wie Wunschdenken wirkt, wenn man sich die andauernden Wehklagen über den Zustand des deutschen Bildungssystems vor Ohren führt.

Oder aber Sahling hat sich entschieden, einen genaueren Blick auf die bildungsbürgerlich geprägte, emotional sensible Gegenwartsjugend zu werfen und die restlichen Probleme der Welt mal für eine Weile auszublenden. Und das funktioniert gut, weil es Platz dafür lässt, dem so schüchternen wie reflektierten Karl (Jonathan Köhn) dabei zuzusehen, wie er mit seiner ersten Verliebtheit umgeht.

Verliebt ist er in Lea (Cheyenne Aaliyah Roth), die locker zwei Köpfe größer ist als er, und das ist schon ein Thema für ihn; bei einem Schuster entdeckt er passende Schuhe mit sehr hohen Sohlen und darf sie mal an- und ausprobieren. Aber auch ohne die traut er sich, mit Lea ein wenig zu tanzen, nur genau dann, wenn ein wirklich langsames Liebeslied beginnt. Dafür sorgt Karls älterer Bruder Tom (Darius Pascu), der in der Band singt – die Mutter (Juliane Pempelfort) ist Schauspielerin, der abwesende Vater Fotograf, so ist der Rahmen gesetzt dafür, wo die empfindsamen Kinder ihre Talente herhaben.

Das erste Mal Küssen

Und ihre Selbständigkeit: Mama ist auf Tournee, offenbar nicht zum ersten Mal, denn die Jungs kennen die Bestellnummern ihrer Lieblingspizzen schon auswendig, auch wenn Gemüse und Lasagne im Kühlschrank stehen. Wie war eigentlich, will Karl von Tom wissen, dein erstes Mal Küssen? Und Tom erzählt von der Austauschschülerin, die er so gerne küssen wollte, was er sich aber dann doch nicht getraut hat. Eine kleine Geschichte vom Scheitern, die aber nicht dramatisiert wird; damit ist der Ton gesetzt.

Bei einer Klassenfahrt mit Projektthema (das gibt das deutsche Schulsystem dann in der Regel wahrscheinlich so doch nicht her) nimmt sich die Klasse vor, einen Film zu drehen – es wird ein kleiner Dokumentarfilm mit dem Thema „Verliebt“, die Schüler fragen die Bewohnerinnen eines Altenheims, Leute auf der Straße und in einem Friseursalon, ihre Lehrkräfte und sich selbst: Wann warst du das erste Mal verliebt? Wie war das? Wie ging es weiter?

Alle möglichen Geschichten und Lebensweisheiten werden dabei erzählt, der Film gerät zu einem angenehm unaufgeregten Nachdenken übers Verliebtsein und darüber, wie Liebe entstehen und bleiben kann. „Erst neulich“, sagt eine alte Dame in Karls Kamera, „habe ich mich unsterblich verliebt.“ Und Karl, wenn er später am Schnittrechner sitzt, schaut natürlich immer genau hin, wie Lea auf solche Fragen reagiert; später traut er sich dann, sie direkt anzusprechen, und – auch wenn von „Liebe“ nie direkt die Rede ist – seinen Wunsch nach mehr Nähe unbeholfen, aber klar auszudrücken.

Gekonnte Handbewegungen in der Dunkelkammer

Piotr Rosolowski erweckt mit der Kamera einen fast dokumentarischen Eindruck, und seine beobachtende Haltung deckt sich mit der erzählerischen Zurückhaltung des Drehbuchs, das nichts mühsam zerredet, sondern sich lieber aufs Bild verlässt. Karl fotografiert als Hobby, sein Vater hat ihm das gezeigt, und entwickelt die Fotos noch ganz traditionell und analog in der Dunkelkammer; mit gekonnten Handbewegungen belichtet er einzelne Stellen der Bilder etwas mehr, um die Belichtung im Negativ etwas auszugleichen.

„Das ist ja wie Zauberei“, sagt Lea, die sich das bei einem Besuch zeigen lässt. „Irgendwie schon, deswegen mache ich das ja auch.“ Das könnte genauso als Motto über Sahlings Film stehen, der eine gute Handvoll zeitloser Magie beschwört, in der Smartphones und Digitalkameras keine große Rolle spielen, und vielleicht ein wenig zu viel Harmonie herrscht. Aber dann geht es vor allem um eine Gruppe junger Menschen, die einander zugetan sind – ohne künstliche Konflikte, aber eben auch ohne choreographierte Tanzeinlage am Schluss.

Veröffentlicht auf filmdienst.deAb morgen bin ich mutigVon: Rochus Wolff (15.10.2025)
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