









- Veröffentlichung03.07.2025
- RegieDorottya Zurbo, Arun Bhattarai
- ProduktionBhutan (2024)
- Dauer93 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- IMDb Rating7.2/10 (748) Stimmen
Vorstellungen










Filmkritik
Ihre Umfrage sei nicht irgendein Aushilfsjob, erklärt die Mitarbeiterin des „Happiness Center“ mit feierlichem Ernst. Die Ergebnisse seien vielmehr für die politische Gestaltung des Landes entscheidend; sie unterstützen den Prozess des „Nation Building“. Zuvor hatte die Frau eine mathematische Formel an die Tafel geschrieben, den sogenannten „Glücksindex“. Dieser in Bhutan angewandte Index soll, anders als das herkömmliche, an ökonomischen Kriterien bestimmte Bruttoinlandsprodukt, Auskunft über das gesamtgesellschaftliche Wohlergehen geben. Kulturelle und spirituelle Kriterien sind dabei ebenso relevant. Das bedeutet, dass der Besitz eines Hauses oder einer Schafherde mit anderen Aspekten wie Naturverbundenheit, der Qualität des Schlafs oder der Hilfsbereitschaft der Menschen verrechnet wird.
Wie man das Glück misst
Amber Gurung zählt zu den 75 Volksbefragern, die nach einer kurzen Schulung im „Happiness Center“ losgeschickt werden, um Menschen aller sozialen Schichten zu ihrer aktuellen Lebenssituation zu befragen und ihr Glück zu messen. Über Wochen hinweg ist er mit einem Kollegen in den abgelegenen Tälern des Himalayas unterwegs; der Film begleitet ihn dabei. Ein 84-jähriger Hirte kommt des Weges. Er ist Witwer, wirkt aber ganz vergnügt. Sein „Happiness Index“ zeigt die Zahl 9 an.
Eine junge Frau kommt gar auf 10 Punkte; zu ihrer großen Freude hat ihre Kuh gerade ein Kalb bekommen. „Mein Glück ist so groß wie die Menge an Reiskörnern, die sich in meinem Reisspeicher befindet“, sagt ein Bauer. Am Ende jeder Befragung findet sich im Bild eine Auswahl an Kriterien – Lebensstandard, Sinn fürs Karma, Verbindung zur Natur, Zufriedenheitsempfinden oder Vertrauen in Nachbarn – samt Punktzahl und Glücksindex eingeblendet.
Ein Road Movie im Himalaya
Das bhutanisch-ungarische Regie-Duo Arun Bhattarai und Dorottya Zurbó inszeniert die Glücksforschungsreise als dokumentarisches Road Movie. Die beiden Agenten des Glücks werden dabei gelegentlich mit leicht komödiantischem Unterton in Szene gesetzt. Während der Kollege fleißig die Fragebögen auswertet – der Glücksindex wird durch 148 Fragen in neun Kategorien ermittelt – schweift Amber durch sein Social-Media-Profil. Mit über 40 Jahren ist er noch immer unverheiratet, wie er mehrfach beklagt. Als er eine virtuelle Bekanntschaft zum ersten Date trifft, ist die Kamera hautnah dabei. Der Film „Agent of Happiness“ rutscht darüber ein wenig in die Gefilde des Reality-TV.
Ein Film, der wirklich etwas über die Menschen erfahren möchte, ist „Agent of Happiness“ ohnehin nur selten. Das gelingt in der Begegnung mit Dechen, einer Transgender-Performerin, die davon träumt, als „schönes Mädchen“ wiedergeboren zu werden. Von Schwermut und Angst geplagt, liegt ihr Glücksindex eher am unteren Rand; in ihrer Mutter hat sie immerhin einen Menschen gefunden, der sie vollständig akzeptiert. Auch ein patriarchaler Mann, der mit drei Ehefrauen zusammenlebt, während die Frauen ohne sein Beisein offen über seine tyrannische Art lästern, und ein Mädchen im Teenager-Alter, das mit seiner kleinen Schwester und einer alkoholkranken Mutter in ärmlichen Verhältnissen lebt, finden das Interesse der Filmemacher. Für ein paar Filmminuten mehr braucht es schon einen Außenseiterstatus oder zumindest eine Verhaltensauffälligkeit.
Ein Brief an den König
Im Laufe des Films wird neben der Einsamkeit noch ein anderer Unglücksfaktor in Ambers Leben thematisiert. Als Nepalese wurde ihm und seiner Familie die bhutanische Staatsbürgerschaft entzogen. Damit besitzt er keinen gültigen Pass, was auch seine sich anbahnende Beziehung gefährdet. Amber schreibt Antrag um Antrag und sogar einen Brief an den König von Bhutan persönlich. Über die Hintergründe der fundamentalen Entrechtung erfährt man allerdings nichts. „Agent of Happiness“ bleibt entschieden an der Oberfläche und ist für politische und gesellschaftliche Zusammenhänge unempfänglich. Dazu gehört auch, das – durchaus verschiedentlich auch kritisierte – Konzept des so gerühmten „Bruttonationalglücks“ nicht anzutasten. Ambers Glücksindex liegt übrigens bei 5.