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Happy Holidays

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Im kulturellen Schmelztiegel Haifa verflechten sich die Geschichten von vier Charakteren zu einem Netz aus Lügen und Intrigen. Die Freundin von Rami ist schwanger. Er möchte kein Kind, sie will es behalten. Seine wohlhabenden Eltern stecken in finanziellen Schwierigkeiten, doch die Mutter ignoriert das einfach und plant eine große Familienfeier unbeirrt weiter. Derweil ist Miri, die Schwester von Ramis Freundin, mit ihrer Tochter beschäftigt, die in einer Depression steckt – und versucht gleichzeitig, ihre Schwester von Rami abzubringen. Als sich ein kleiner Autounfall ereignet, scheint dies nichts weiter zu bedeuten. Aber er genügt, um das fragile Gefüge nach und nach zum Einsturz zu bringen.
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Als die Studentin Fifi (Manar Shehab) nach einer ausgelassenen Nacht im Club einen Autounfall erleidet, kommen einige Fakten über sie und ihre Familie ans Licht, die manche gerne im Dunkeln belassen hätten. Fifi ist eine junge Frau aus einer gut situierten arabischen Familie in der israelischen Hafenstadt Haifa. Ihr Vater Fouad (Imad Hourani) ist ein Geschäftsmann und lebt mit Frau und den Kindern in einem schönen Haus mit Blick auf die Stadt. Eigentlich will er seine ältere Tochter Leila (Sophie Awaad) verheiraten, Fifis Schwester. Seiner Frau Hanan (Wafaa Aoun), der Matriarchin der Familie, ist die bevorstehende Feier wichtiger als alles andere. Doch dann muss sie Fifi aus dem Krankenhaus abholen und stößt sich an der – in ihren Augen – legeren Aufmachung der Partygängerin.

Die Akte wurde „verwechselt“

Fifis Krankenakte wird bald zum Politikum. Denn darin stehen Details, welche eigentlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen und die die in sittlichen Dingen eher konservativen Eltern nicht erfahren sollen. Mithilfe des attraktiven Arztes Walid (Raed Burbara) wird das brisante Dokument als „verwechselt“ deklariert, womit Fifi zumindest vorerst aus dem Schneider ist. Doch bald umwirbt Walid sie, und die beiden werden ein Liebespaar.

Die Idylle währt allerdings nicht lange. Denn auch das dritte Kind der Familie, Sohn Rami (Toufic Danial), steckt in der Zwickmühle. Seine jüdische Freundin Shirley (Shani Dahari) ist schwanger. Sie möchte das Kind behalten, er aber will, dass sie abtreibt, und wendet sich ebenfalls an Walid, der in dem örtlichen Krankenhaus arbeitet und sein Freund ist. Doch dann erfährt Rami unheimliche Einschüchterungsversuche von Vermummten und wird mehrfach verprügelt.

Auch Shirleys Schwester Miri (Merav Mamorsky), eine Krankenschwester, erweist sich für die junge Jüdin nicht als die Stütze, die sie eigentlich sein sollte. Außerdem macht Miri sich Sorgen um ihre Tochter, die an Depressionen leidet. Über der ohnehin schon spannungsgeladenen Situation der einzelnen Akteure hängt überdies die finanzielle Situation des Familienoberhaupts Fouad wie ein Damoklesschwert. Eigentlich müsste er Insolvenz anmelden und das Haus verkaufen, um eine Gefängnisstrafe zu umgehen. Doch Fouad wagt es nicht, seiner Frau die Wahrheit zu sagen.

Das Private ist politisch

Eine Situation ist vertrackter als die nächste in dem vielschichtigen Familien- und Gesellschaftsdrama von Scandar Copti. Eindrücklich zeigt der palästinensische Regisseur aus Haifa, wie private Entscheidungen der einzelnen Figuren zugleich politisch sind und Spaltungen eher vertiefen als aufheben. So will Rami seinen Geschwistern und den Eltern nicht sagen, dass er mit einer jüdischen Frau zusammen ist, weil er weiß, dass vor allem die Mutter das nicht gutheißen würde. Ein gemischt-ethnisches Kind kann er seiner Familie nicht zumuten. Doch auch die jüdische Seite in Form von Shirleys Schwester Miri ist skeptisch. Mithilfe einer dubiosen Organisation hintergeht sie Shirley, wie sich später herausstellt.

Anhand konkreter Schicksale und nicht immer freiwilliger Entscheidungen der Figuren zeigt das Drama, wie tabuisiert private Interaktionen zwischen Mitgliedern der jüdischen und arabischen Communitys sind. Auf jüdischer Seite werden die subtile Militarisierung von Kindergartenkindern und das Dilemma von Wehrdienstverweigerern thematisiert. Das geschieht eher beiläufig und ohne Polemik – ein durchgehendes Plus von „Happy Holiday“.

Doch auch innerhalb der arabischen Gemeinschaft herrschen etliche Tabus, vor allem ethische. Wenn eine junge Frau wie Fifi frei über ihr Sexualleben entscheiden will, muss sie dies vor ihrer Familie geheim halten. Selbst bei scheinbar progressiven Mitgliedern ihrer Community stößt sie in diesem Punkt auf ungeahnten Widerstand. Auch der Ruf der Familie innerhalb des Bekanntenkreises ist wichtig – vor allem Mutter Hanan sorgt sich darum, dass man ihre Töchter als nicht sittsam wahrnehmen könnte.

Kunstvoll verwobene Kapitel

Neben der Darstellung zwischen- und innerethnischer Konflikte, die von den Figuren eher verdeckt als offen angesprochen werden, besticht „Happy Holidays“ aber vor allem durch seine raffinierte Erzählweise. Die miteinander verwobenen Kapitel werden mit klangvollen Titeln eingeleitet (etwa „Rami und die wundersame Geschichte um das Baby“) und kreisen um einen Hauptakteur oder eine Hauptakteurin. In den weiteren Episoden verdichten sich anfangs rätselhaft erscheinende Puzzleteile nach und nach zu einem großen Ganzen. Hauptakteure werden dabei wieder zu Nebenakteuren oder erscheinen mal als handelnde, dann als erduldende Figuren.

Der Film ist mit Laien besetzt, die im echten Leben oft denselben Beruf wie im Film bekleiden. Ein anderes Erzählprinzip des Films besteht in seiner gebrochenen Chronologie, weshalb man als Publikum einiges an Detektivarbeit leisten muss. Die Einbindung moderner Kommunikationsmittel wie SMS trägt sowohl zu Spannungen als auch zur Aufklärung bei.

Vertuschen, Verleugnen und der Wunsch nach Klärung

Ständig schwanken die Familienmitglieder in der aufgeheizten Situation zwischen Vertuschen, Verleugnen und dem Wunsch nach Klärung. Die Situation einer Tochter kann das Schicksal ihrer Geschwister empfindlich beeinflussen und umgekehrt. Dass die Ereignisse sich ausgerechnet kurz vor einem großen Familienfest überschlagen, übersetzt auch der ironische Titel. Dabei wollte die Matriarchin Hanan doch eigentlich nur unbeschwert und mit großem Pomp feiern.

Veröffentlicht auf filmdienst.deHappy HolidaysVon: Kira Taszman (2.9.2025)
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