






- RegieKai Wessel
- Dauer90 Minuten
- GenreHistorie
- Cast
Vorstellungen

Filmkritik
Es war der zarte Keim, aus dem die deutsch-französische Freundschaft und letztlich die EU erwachsen sollte: das Treffen zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle am 14. September 1958. Als Gastgeschenk überreicht Adenauer (Burghart Klaußner) dabei eine antike Pietà-Figur. Die Darstellung der ihren toten Sohn in den Armen haltenden Muttergottes sei ein Symbol von Trauer und Leid, merkt die Gastgeberin und gute Katholikin Yvonne de Gaulle (Hélène Alexandridis) dazu an. Aber sie sei auch ein Zeichen der Vergebung und der Hoffnung für die Menschheit, führt die Gattin von de Gaulle (Jean-Yves Berteloot) weiter aus.
Das Kunstwerk steht in „An einem Tag im September“ auch für das deutsch-französische Verhältnis, das 13 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nach wie vor äußerst belastet ist – von den brutalen Spuren der Vergangenheit. Ruinen und kriegsversehrte Männer dominieren in Frankreich im Jahr 1958 noch immer die Öffentlichkeit, als der deutsche Bundeskanzler zu einem Treffen in de Gaulles Privathaus in Lothringen chauffiert wird. Der Fernsehfilm von Kai Wessel rekonstruiert eine geschichtsträchtige Zusammenkunft. Mitte September 1958 trafen Adenauer und der wenig später zum französischen Präsidenten gewählte General zum ersten Mal aufeinander. Dieser Termin war der zarte Keim, aus dem die deutsch-französische Freundschaft und letztlich die EU erwuchsen.
„Boches“ & „Franzmänner“
Die Anspannung, die diese Begegnung auf beiden Seiten begleitete, macht der souverän in Szene gesetzte Film deutlich spürbar: Die Abneigung zwischen den „Boches“ und den „Franzmännern“ ist teilweise förmlich mit Händen zu greifen, verkörpert etwa in der Figur der Köchin im Hause de Gaulle, einer ehemaligen Partisanin, die Adenauers deutschen Fahrer anherrscht: „Ihr seid Mörder, alle!“
De Gaulle und Adenauer verbindet hingegen ihr Katholizismus sowie ihre Abneigung gegen „die Kommunisten“ – aber auch ihre Sturheit. Die ist womöglich mit ein Grund dafür, dass das Vieraugengespräch beim Thema Atomwaffen ins Stocken gerät.
Drehbuchautor Fred Breinersdorfer hat das Buch auf Grundlage eines achtseitigen „Ereignisprotokolls“ geschrieben, das es im Bundesarchiv über eben jene Unterhaltung gibt. Dass Yvonne de Gaulle dem abgekühlten Diskurs geschickt einen neuen Schwung gibt, indem sie das Gespräch auf die Schicksalsschläge der beiden Männer lenkt, ist eine legitime Erfindung des Autors. Breinersdorfer hat eine kluge Vorlage geschrieben, die nahe an der Historie bleibt und die Story zugleich gekonnt „versinnlicht“. Weniger überzeugend ist einzig eine Szene, in der die de Gaulles in ihrem Rosengarten recht hölzern Informationen über Adenauers Werdegang austauschen.
Das Drehbuch fügt drei weitgehend fiktionale Erzählstränge hinzu, die den Hauptstrang überzeugend spiegeln: Die Story um eine deutsche Volontärin und eine französische Fotografin, die sich für ihre Berichterstattung zusammentun – und die für die junge Generation und den Aufbruch in eine neue Zeit stehen. Die Referenten der Staatsmänner, die sich langsam einander annähern. Aber auch die Geschichte der Köchin, die in ihrem Hass verharrt.
Historisch akkurat, spannend und sinnlich
Großartig sind die Bewegungen zu Beginn des Films, welche die in der Anfahrt auf dasselbe Ziel hin befindlichen Protagonisten auf prägnante Weise einführen. Das erste längere Gespräch zwischen den beiden Staatsmännern ist in Echtzeit als intensives Kammerspiel in düsteren Räumlichkeiten inszeniert; hier wie andernorts tritt die schauspielerische Brillanz der beiden Hauptdarsteller zutage, aber auch die hervorragende Kamera-Arbeit von Holly Fink.
Die internationale Besetzung tut dem Film gut; doch auch Burghart Klaußner ist trotz seiner geringen phänotypischen Ähnlichkeit mit Adenauer eine vorzügliche Wahl, lässt er doch den rheinischen Singsang Adenauers dezent mitschwingen.
Lediglich die in Schwarz-weiß gehaltenen Sequenzen im Stile damaliger Nachrichtensendungen scheinen überflüssig, da sie dem Film nichts hinzuzufügen wissen. Ein historisches Drama auf höchstem handwerklichem Niveau, zeitgeschichtlich akkurat, spannend, sinnlich und heutig erzählt. So sollte Geschichtsvermittlung im Fernsehen sein.
