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Filmplakat von Caught by the Tides

Caught by the Tides

111 min | Drama | FSK 12
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Fragmentarisches Langzeitporträt eines Chinas im Wandel. In seinem neuesten Werk blickt Meisterregisseur Jia Zhang-Ke zurück auf sein mehr als zwei Jahrzehnte andauerndes künstlerisches Schaffen. Aus Szenen früherer Filme sowie neu gedrehtem Material erstellt er eine Collage um eine Frau, die zwanzig Jahre lang nach einer spurlos verschwundenen Liebe sucht. Dabei wird sie zum Spiegel einer sich verändernden Gesellschaft – von 2001 bis heute. "Ich glaube, dass es eigentlich egal ist, wie groß das Publikum ist, das meinen Film sieht; solange meine Filme in China gezeigt werden können und es hier einen echten Markt für sie gibt, wäre das für mich persönlich von großer Bedeutung."

Vorstellungen

Passage Kinos Leipzig
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Hainstraße 19a
04109 Leipzig
THALIA – DAS PROGRAMMKINO POTSDAM
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Rudolf-Breitscheid-Straße 50
14482 Potsdam
Abaton Kino Hamburg
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Allende-Platz 3
20146 Hamburg
Broadway Trier
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Paulinstraße 18
54292 Trier
Bremer Filmkunst Theater Schauburg
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Vor dem Steintor 114
28203 Bremen
ODEON Lichtspieltheater Köln
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Severinstraße 81
50678 Köln
Kamera Filmkunsttheater Bielefeld
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Feilenstraße 4
33602 Bielefeld
Universum Filmtheater Braunschweig
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Neue Straße 8
38100 Braunschweig
Studio-Kino Hamburg
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Bernstorffstraße 93
22767 Hamburg
Sputnik Kino Berlin
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Hasenheide 54
10967 Berlin

Filmkritik

Einen Film zu drehen heißt für Jia Zhang-ke schon seit geraumer Zeit mindestens, vielleicht aber sogar vor allem, Zhao Tao zu filmen. 2000 stand die Schauspielerin in „Platform“ zum ersten Mal für ihn vor der Kamera. Seither war sie in fast allen Filmen von Jia zu sehen, den sie im Jahr 2012 auch heiratete. Zhao Tao hat Gangsterbräute für ihn gespielt und Tänzerinnen, unglücklich Liebende und in „A Touch of Sin“ auch einen todbringend das Messer schwingenden Racheengel.

Im neuen Film ihres Ehemanns spielt sie streng genommen ebenfalls eine fiktionale Figur und trägt den Namen Qiao Qiao; aber die Frau, die das Kraft- und Ruhezentrum von „Caught by the Tides“ bildet, eines ansonsten im besten Sinne unruhigen Films, ist in erster Linie die Schauspielerin Zhao Tao – und höchstens in zweiter Linie eine Figur in einer ausgedachten Geschichte. Der Grund dafür: „Caught by the Tides“ ist nur zum geringeren Teil aus neu gedrehtem Material gefertigt. Zum größeren Teil besteht er aus Ausschnitten aus alten Jia-Filmen, nicht verwendeten Szenen älterer Filmprojekte sowie disparatem dokumentarischem Material, das Jia über die Jahrzehnte angesammelt hat.

Immer wieder Zhao Tao

Jia blättert gewissermaßen in seinem eigenen Werk wie in einem Familienalbum. Und stößt dabei wieder und wieder auf Zhao Tao. Man sieht Zhao Tao, wie sie, wie damals in „Unknown Pleasures“ (2002), mit schicker Ponyfrisur als Schmetterling-Mädchen durch das raue, urbane China der frühen 2000er-Jahre stolziert. Ihr Geld verdient sie im Nachtleben und der Showbranche, singend, tanzend, mit vollem Körpereinsatz. Später sieht man Zhao Tao, wie sie in „Still Life“ (2006) mit gelbem Oberteil und Handtasche das Gebiet des Drei-Schluchten-Staudamms durchstreifen – eines megalomanischen Infrastrukturprojekts, das die Modernisierung der chinesischen Industriegesellschaft entscheidend voranbrachte, aber mit massiver Umweltzerstörung und sozialen Verwerfungen einherging. Ganze Städte wurden damals umgesiedelt, die Abbrucharbeiten teilweise von Hand durchgeführt. In diesen Passagen wird „Caught by the Tides“ zu einem gespenstisch gleichmütigen Trümmerfilm.

Und schließlich sieht man Zhao Tao in einem Setting, in dem in Jias Werk bislang noch nicht begegnet war. Während der Covid-Pandemie wandelt sie, zumeist mit Gesichtsmaske, durch ein bunt schimmerndes Gegenwartschina der saturierten Oberflächen. Durch ein Land, in dem der einst so anarchische Trubel des Lebens gründlich eingedampft, kanalisiert und funktionalisiert zu sein scheint. Teils allerdings auch: dysfunktionalisiert; das chinesische Covid-Regime hat durchaus eine kafkaeske Schlagseite, und der Kaufhausroboter, dem Tao Zhao einmal begegnet, zitiert lieber Mark Twain, als praktische Alltagshilfe zu leisten.

Dieses letzte – und kürzeste – der drei Kapitel, aus denen „Caught by the Tides“ besteht, ist das einzige, das für den Film neu gedreht wurde. Tatsächlich brachten die zahlreichen Beschwerlichkeiten, die die Covid-Pandemie nicht zuletzt für die Filmbranche bedeuteten, Jia auf die Idee, in die Vergangenheit des eigenen Filmschaffens hinabzutauchen. Wobei die Idee zu dem Projekt, wie in einem Interview aus dem Jahre 2016 nachzulesen ist, bereits länger bestand. Daraus entstand ein Found-Footage-Spielfilm-Hybrid, der nicht nur in Jias Filmografie seinesgleichen sucht.

Pro forma eine Liebesgeschichte

Eine Geschichte erzählt der Film zumindest pro forma schon. Und zwar eine Liebesgeschichte. Zhao Tao spielt Qiao Qiao, eine junge Frau, die zu Filmbeginn, in den wilden 2000er-Jahren, mit ihrem Boss Bin (Li Zhubin) liiert ist. Der verschwindet eines Tages – ein Motiv, das aus mehreren Jia-Filmen vertraut ist – aus ihrem Leben. In einer schnöden Textnachricht vertröstet er sie auf ein späteres Wiedersehen. Sowohl beim Drei-Seen-Staudamm als auch später in der Covid-Gegenwart begegnen sich die beiden dann tatsächlich; dennoch verbringen sie den gesamten Film über kaum zehn Minuten miteinander und wechseln höchstens eine Handvoll Sätze.

Es ist, als würde Jia diese Liebesgeschichte in das Archiv seiner eigenen Bewegtbilder werfen wie einen Anker – der in keinem Grund verfängt. Wie zufällig laufen sich die Liebenden dreimal über den Weg, bewegen sich ansonsten aber durch komplett unterschiedliche Räume, Zeiten und vielleicht auch Welten. Vor allem Bin ist in „Caught by the Tides“ eine hochgradig instabile Präsenz. Er hat, nachdem er seine Freundin verlässt, seine Hände vermutlich in dem einen oder anderen krummen Geschäft; irgendetwas lässt ihn viel schneller als Qiao Qiao altern. Aber etwas Genaueres weiß man nicht. Wenn Qiao Qiao eine deutlich stärkere Präsenz ausstrahlt, dann nicht, weil man mehr über sie erfährt; sondern weil man in ihr ohnehin stets Zhao Tao sieht, die zentrale Obsession des Kinos von Jia Zhang-ke.

Zu Beginn des Films ist aber auch Zhao Tao kaum mehr als ein gelegentliches helles Aufleuchten in einem disparaten Bilderstrom. In der ersten halben Stunde springt der Film zwischen verschiedenen Bildformaten und offensichtlich auch zwischen unterschiedlichen Aufnahmeverfahren hin und her. Den Ansprüchen zeitgenössischer hochauflösender Glattheit – der Bilder wie der Welt – genügen die Alltagseindrücke allesamt nicht, die Jia aneinander montiert. In diesen Passagen finden sich großartige dokumentarische Miniaturen einer vitalen, von massiven Transformationsprozessen erfassten Gesellschaft. Besonders eindrücklich ist eine Karaoke-Szene mit enthusiastisch tanzenden, direkt in die Kamera grinsenden jungen Frauen. Wie überhaupt andauernd Popmusik der verschiedensten Provenienz in den Film hineinweht. Das kulturell Niedere war in Jias Filmen stets nah am Erhabenen verortet. In seinem neuen Film gilt das mehr denn je.

Anziehung und Abstoßung

Nur ganz langsam verdichtet sich der ungerichtet anmutende, zwischendurch gar kurze Trickfilm-Elemente inkorporierende audiovisuelle Fluss des Films zu so etwas Ähnlichem wie einer Geschichte. Der entscheidende Kipppunkt ist eine Szene, die Jia aus „Unknown Pleasures“ entnimmt. Qiao Qiao sitzt in einem Bus und versucht mehrmals aufzustehen, doch Bin wirft sie jedes Mal wieder auf ihren Platz zurück. In Gang gesetzt wird eine Doppelbewegung der Anziehung und der Abstoßung, die den Rest des Films über nicht zur Ruhe kommt. Wenig später ist er es, der das Weite sucht. Und noch ein wenig später besteigt sie einen Zug, in der Hoffnung, ihn wiederzufinden.

Eingebettet bleibt dieses Spiel zweier einander mal umkreisender, mal miteinander kollidierenden, mal jeder für sich in eigene Sphären entschwebenden Körper allerdings weniger in eine nach traditionellen Maßstäben erarbeiteten Kinoerzählung. Vielmehr ist es ein sehr viel offener gebauter Erinnerungs- und Wahrnehmungsraum, in dem alles mit allem kommuniziert, das Kleine mit dem Großen, das Leise mit dem Lauten, Pop mit Politik. In den Trümmern eines Dorfes, das im Zuge des Drei-Schluchten-Projekts zerstört wurde, bleibt eine verstaubte „Cosmopolitan“-Ausgabe zurück.

Erschienen auf filmdienst.deCaught by the TidesVon: Lukas Foerster (12.5.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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