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Filmkritik
Spieler und Spielerinnen kennt das Kino zuhauf, von Gregory Peck in „Der Spieler“ bis Jeanne Moreau in „Die blonde Sünderin“, von James Caan in „Spieler ohne Skrupel“ bis Steve McQueen in „Cincinnati Kid“. Die Casinos stehen in Monte Carlo oder, seltener, in Baden-Baden und Deauville, vor allem aber in Las Vegas, diesem Mekka der Glücksritter und Spielverrückten, das stets Reichtum verheißt und selten Gewinner kürt. Nun setzt Edward Berger, der zuletzt mit „Konklave“ für Aufsehen sorgte, Las Vegas ein asiatisches Gegenstück entgegen, Macau nämlich, das in „Ballad of a Small Player“, nach dem Buch von Lawrence Osborne, wie ein eigener Charakter fungiert. Berger setzt die ehemalige portugiesische Kolonie, gegenüber von Hongkong gelegen, imposant in Szene: die hohen Türme, die – ganz von unten aufgenommen – noch höher emporsteigen, die leuchtenden Lichter, die satten Farben, die blinkende Reklame, die tanzenden Reflektionen in übergroßen Schaufenstern, das große Feuerwerk am Strand.
Macau – die schillernde, verheißungsvolle Metropole, so hat man sie noch nie im Kino gesehen. Dazu passt auch der Soundtrack von Volker Bertelmann, der leise und leichtfüßig beginnt, sich stetig steigert, um im Abspann zu wuchtigem Bigband-Jazz zu explodieren. Berger entwirft eine ungebremste Opulenz für Augen und Ohren, die den Zuschauer staunen lässt. Kein Zweifel: Seine sorgfältig austarierten Bilder, mal gekantet, mal gleitend, sehen aufregend aus. Zu aufregend, möchte man einwenden, denn neben ihnen bleibt die Handlung blass.
Alles andere als ein Aristokrat
Er nennt sich Lord Doyle, dabei ist er alles andere als ein englischer Aristokrat. Doyle ist ein Spieler und Hochstapler, ein Gauner und Verlierer. Bestimmt war er einmal obenauf, sonst hätte er sich diese teure Hotel-Suite in Macau nicht leisten können, auch seine farbenfrohen Samtanzüge und gelben Lederhandschuhe zeugen von besseren Zeiten. Doch als er zu Beginn des Films die Tür öffnet, um sich hastig am Personal vorbei nach draußen zu schleichen, sieht man verstreute Champagner-Flaschen, umgekippte Möbel und vertrocknete Essensreste auf silbernen Tabletts. Doyle flieht vor seiner Hotelrechnung, dien sich auf stolze 40.000 Dollar beläuft. Eine Pechsträhne am Baccara-Tisch hat ihn in diese Situation gebracht, der Abstieg scheint unaufhaltsam. Zu allem Überfluss ist ihm die Privatdetektivin Cynthia Blithe auf den Fersen, die jene vielen Tausend Pfund wieder eintreiben soll, die Doyle seinen britischen Geldgebern schuldet. Hilfe kommt ausgerechnet von der Casino-Angestellten Dao Ming, die Spielern gelegentlich Kredite gewährt oder mit Drogen versorgt. Obwohl Doyle ein Baccara-Spiel nach dem anderen verliert, unterstützt sie ihn. So ganz ist nicht klar, warum. Sind da etwa Gefühle mit ihm Spiel? Doch da ist es für eine Erlösung Doyles bereits zu spät.
Das Überlebensgroße, das plötzlich ganz klein werden kann
Von Dostojewskis „Spieler“ und seinen moralischen, religiösen und philosophischen Implikationen ist Bergers Drama weit entfernt, dem Regisseur geht es um eine Talfahrt direkt in die Hölle, um den Exzess, um das Überlebensgroße, das plötzlich ganz klein werden kann. Hauptdarsteller Colin Farrell hat sich dieser Vision unterworfen: mal hibbelig und nervös, dann wieder der Mann von Welt, meistens misstrauisch und ungepflegt, stets auf dem Sprung, um sich zu entziehen, stets bereit zu lügen, um sich aus der Klemme zu winden. Ständig muss er schwitzen, so wie Gary Bond in Ted Kotcheffs „Ferien in der Hölle“, sein giftgrüner Samtanzug kann die körperliche und geistige Anstrengung nicht überstrahlen. Selten war Farrell so gut, doch Mitleid für seine Figur darf er nicht wecken.
Tilda Swinton hat es da als Privatdetektivin leichter. Mit großer Brille, Strickjacke und biederem Rock erweckt sie den Eindruck, den falschen Beruf ergriffen zu haben. Dabei hat sie es faustdick hinter den Ohren. Trotzdem scheint sie aus einem anderen Film zu kommen, vielleicht von Wes Anderson oder den Coen-Brüdern. „Ballad of a Small Player“ lässt einen unentschieden zurück: Man hat viel gesehen und wenig erfahren, man hat viel gestaunt und bleibt unberührt. Berger hat den Zuschauer visuell und akustisch überwältigt. Mehr nicht.



