- Veröffentlichung01.01.2025
- RegieMalte Wirtz
- ProduktionDeutschland (2025)
- Dauer80 Minuten
- GenreDokumentarfilm
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Filmkritik
Leer und dunkel ist die Großstadt, die an uns vorbeizieht. Teilweise so dunkel, dass man kaum etwas erkennt. Und auch das hohe Tempo, mit dem aus Bussen, S-Bahnen und Autos das nächtliche Berlin gefilmt wird, erlaubt es dem Auge kaum, sich auf etwas Konkretes zu konzentrieren. Der Rausch der Geschwindigkeit und der urbane Raum als überwältigende Ansammlung an Details, das scheint Regisseur Malte Wirtz in seinem filmischen Experiment vor allem zu interessieren.
Ansonsten gibt es in dem 80-minütigen Dokumentarfilm „Berlin Rhapsody“ auch Drohnenaufnahmen zu sehen, in denen die ehemalige US-Abhörstation auf dem Teufelsberg umkreist wird, Bilder von Tauben, die sich Essensreste vom Trottoir picken, sonnende Menschen am Landwehrkanal oder auch immer wieder beliebte Sehenswürdigkeiten wie die für ihre Street Art bekannte East Side Gallery, das Rote Rathaus oder der Fernsehturm. Die Hauptattraktion des Films ist und bleibt aber die Bewegung. In den oft etwas zu hoch gefilmten Kamerafahrten, in denen meist nur das obere Drittel von Gebäuden zu sehen ist, sind es keine einzelnen Häuser, die ins Auge stechen, sondern lediglich das Raster einer, zumindest im schnellen Vorbeistreifen, mehr oder weniger gleichförmigen Architektur.
Ein Tag in der Großstadt
„Berlin Rhapsody“ ist die freie Neuinterpretation eines anderen experimentellen Dokumentarfilms, der längst zum Kanon der Kinogeschichte gehört: Walther Ruttmanns „Berlin - Die Sinfonie der Großstadt“ aus dem Jahr 1927. Mit rhythmischem Schnitt und dramatischer Zuspitzung porträtiert der Film einen Tag in der stark industrialisierten Großstadt. Auch bei Ruttmann spielen Geschwindigkeit und Überforderung eine wichtige Rolle, doch zugleich erzählt der Film, wie man in Berlin lebt und arbeitet. Das Interesse von „Berlin Rhapsody“ ist dagegen deutlich zerstreuter, um es noch diplomatisch auszudrücken.
Anders als Ruttmanns „Sinfonie“ versucht sich Wirtz an einer Rhapsodie. Letzteres ist eben kein dramaturgisch aufgebautes, in sich stimmiges Werk, sondern zeichnet sich durch lose, oft unzusammenhängende Einzelteile aus. Zwar beginnt „Berlin Rhapsody“ in der Nacht und zeigt anschließend auch Verkäufer, die ihre Läden öffnen, eine chronologische Struktur oder auch ein sonst wie geartetes Ordnungsprinzip lässt sich aber nicht erkennen. Warum Bilder aufeinanderfolgen, wieso von Schwarz-weiß zu Farbe gewechselt wird, oder auch, was der Film überhaupt inhaltlich vermitteln will, bleibt unklar.
Beliebigkeit als Gestaltungsmittel
Dass sich Wirtz an der No-Budget-Neuverfilmung eines Klassikers versucht und den Film gleich noch dem russischen Kinopionier Dsiga Vertov widmet, kann man noch auf sympathische Weise anmaßend finden. Das größte Mysterium von „Berlin Rhapsody“ bleibt jedoch, warum er sich ausgerechnet auf zwei Meister der Montage bezieht, während er selbst als einziges Gestaltungsmittel die Beliebigkeit wählt.
In der Theorie könnte der Film als Bewusstseinsstrom verstanden werden, der gerade durch seine kunstlosen und willkürlichen Bilder indirekt etwas über die Stadt erzählt, die er zeigt. In der Praxis ist „Berlin Rhapsody“ allerdings eine enorm monotone und zähe Angelegenheit, die auf dem Missverständnis fußt, man müsse nur möglichst viel zeigen, dann würde schon etwas Substanzielles zutage treten. Dabei ist die Banalität der Bilder nicht nur an sich ärgerlich, sondern wirkt inmitten der täglichen Bilderflut sozialer Medien auch völlig aus der Zeit gefallen.
Alternative: Ein Stadtspaziergang
Mit Ruttmanns Film als Inspiration müsste die dringlichste Frage sein, was „Berlin Rhapsody“ eigentlich über die Gegenwart erzählen will. Es gibt verwackelte Aufnahmen der Bauernproteste oder ein Grünen-Wahlplakat, bei dem Robert Habeck ein Hitlerbart verpasst wurde, aber das war es dann auch schon an politischer Gegenwartsdiagnose. Als Alternative für den Film möchte man den Zuschauern einen Stadtspaziergang ans Herz legen. Das dürfte deutlich erkenntnisreicher sein.