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Filmkritik
Der lakonische Titel umreißt einen Film, in dem der permanenten filmischen Hintergrundfigur des Leibwächters die einmalige Chance einer Hauptrolle eingeräumt wird. Kevin Costner spielt Jack Farmer, der nach dem traumatischen Erlebnis der Schüsse auf Ronald Reagan aus dem Staatsdienst ausgeschieden und dazu übergegangen ist, Privataufträge anzunehmen. Er läßt sich gut bezahlen, verlangt von seinen Schützlingen jedoch vorbehaltlose Kooperation. Daran hapert es bei der Pop-Sängerin und Schauspielerin Rache] Marron, der von ihrer besorgten und erfolgversessenen Umgebung vorenthalten wird, daß sich laufend Drohbriefe in ihrer Fan-Post befinden. Fanner übernimmt den Job trotzdem, ist aber schon während der ersten Tage oft genug drauf und dran, ihn wieder hinzuschmeißen. Die Pop-Queen findet mehr Gefallen daran, ihre Anziehungskraft an Farmer auszuprobieren, als sich seinen peniblen Anordnungen zu fügen. Kein Wunder. daß Farmer sich sehr bald in einem ungewohnten Gefühlskonflikt befindet. Die hübsche und anziehende Rachel verfehlt nicht ihre Wirkung auf ihn, obwohl er genau weiß, daß er mit jedem Schritt des Nachgebens seine berufliche Objektivität in immer größere Gefahr bringt. Erst als Rachel durch einen anonymen Telefonanruf richtig Angst bekommt, willigt sie ein, ihre Termine abzusagen und Farmer in die Einsamkeit eines winterlichen Landhauses zu folgen. Doch an Stelle des erwarteten Schutzes beginnen sich die Dinge dort erst recht zuzuspitzen. Als Rachel nach Hollywood zurückkehren muß, um an der "Oscar"-Verleihung teilzunehmen, ist Farmer überzeugt, daß der mysteriöse Attentäter in aller Öffentlichkeit zuschlagen wird...
Lawrence Kasdan ("Silverado", "Die Reisen des Mr. Leary", "Grand Canyon") hat das Drehbuch zu "The Bodyguard" bereits 1975 geschrieben, nach eigenem Eingeständnis beeinflußt durch die Figur Steve McQueens in "Bullitt" (fd 15 905). Seit je ein Westernfan, hat er versucht, die der McQueen-Figur bereits innewohnende Lakonik mit der Attitüde des klassischen Westemhelden zu kombinieren. Das zeigt sich nicht nur an der Einsilbigkeit, mit der Kevin Costner durch jede Situation des Films gehen muß, sondern auch an der erkennbar beabsichtigten mythischen Qualität der Rolle, die Kasdan seiner bescheidenen Story aufpflanzt wie einst die Sergio-Leone-Anleihen in "Silverado". Da muß weiter nicht nur Kurosawas "Yojimbo" herhalten, da wird auch die Symbolik des Samurai-Schwerts in schönster Ausführlichkeit bemüht. Costner, der sich redlich mit dem Flair des außenseiterischen Einzelgängers abkämpft, liegt stets im Clinch mit den Platitüden der Geschichte, unter denen die Marotte, nichts als Orangensaft zu trinken, nur eine der dümmsten ist. Je länger der Film dauert, um so deutlicher wird, warum in all den Jahren niemand Kasdans Drehbuch anfassen wollte. Es ist eine hochgradig konstruierte Story zwischen Western-Ideologie und modernem Starkult, die sozusagen auf jeder einzelnen ihrer vielen Ambitionen vorzeitig ausrutscht, statt Motiven und Spannungsketten sorgsamer nachzuspüren und dadurch der löcherigen Geschichte mehr Glaubhaftigkeit zu verleihen. Nicht zuletzt leidet sie darunter, daß die Figuren zu oft und zu lange in den Hohlräumen einer auf intellektueller Sparflamme gehaltenen Kriminalhandlung herumtappen, die allzu offensichtlich Kasdans Sache nicht ist.
Nun hat Kasdan sein mißachtetes Frühwerk selbst produziert (gemeinsam mit Jim Wilson und Kevin Costner) und hat sich mit Mick Jackson ("LA. Story", fd 28 950) eines talentierten Regisseurs versichert, der die brüchige und auf der Stelle tretende Geschichte so hautnah inszeniert, daß man beständig meint, einen besseren Film zu sehen, als die Story überhaupt hergeben kann. Jackson rückt den Figuren mit einer an Neugierde nicht nachlassenden Kamera so dicht auf den Leib, daß die wenigen Funken, die zwischen dem stoisch verhaltenen Costner und der redlich um Ausstrahlung ringenden Schauspieler-Novizin Houston gelegentlich sprühen, in der Bewegungslosigkeit der Story nie verlorengehen. Die Handlungsorte sind nicht einfach die vom Drehbuch vorgegebenen kinobekannten Stationen jeder filmischen Star-Karriere, sondern gigantische Panoramen einer Hollywood-Villa, eines Strandhotels in Florida und - Gipfel des Branchenkults - der pompösen "Oscar"-Verleihung, an deren aufwendiger Äußerlichkeit sich Jackson nicht genug delektieren kann. Seine Inszenierungskunst ist es, die der vom Drehbuch her so wenig überzeugend zurechtgebastelten Konfliktstellung eine Funktion verleiht, die Kasdan vielleicht unterschwellig im Sinn hatte: der Bodyguard wird zum Katalysator einer Umgebung, deren egomane Geschäftigkeit und deren hohler Glanz sich mehr und mehr als das darstellen, was sie sind, Substitute verlorener Selbstachtung.
Wenn der Film zu Ende geht - mit einer verqueren Mixtur aus Happy End und Westernpathos - hat man einen der merkwürdigsten Hollywood-Filme der letzten Jahre gesehen. Merkwürdig vor allem in der Hinsicht, daß Regie, Kamera und Schnitt einen unansehnlichen Stoff ansehbar gemacht haben. Auch das ist Hollywood. Mit einer weiteren paradoxen Variante: den Feinschnitt hat nicht Mick Jackson hergestellt (dessen Film war 20 Minuten länger), sondern das Produzententeam Kasdan, Wilson und Costner.