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Filmkritik
Stan Deen (Jared Harris) ist die gute Seele einer Kleinstadt-High-School in Pennsylvania. Es gibt kaum jemanden, dem der unscheinbare, nicht mehr allzu weit von der Pension entfernte Lehrer nicht mit ansteckendem Optimismus ein paar ermutigende Sätze zukommen lässt. Auf seine Worte lässt Stan meist auch Taten folgen. Als Leiter der Theatergruppe besetzt er etwa in der Hauptrolle einen Jungen, der zwar jegliche schauspielerische Begabung vermissen lässt, sich aber, nachdem er wegen einer Verletzung seine Sportlerkarriere aufgeben musste, wieder gebraucht fühlt.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Stan des Bad Boys der Schule annimmt. Nathan (Nicholas Hamilton) ist bei verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen, hat einen Hang zur Kleinkriminalität und schlägt aufgrund seines ungezügelten Temperaments auch mal zu. Dennoch wirkt die verwegene Lederjacke an ihm wie eine Verkleidung. In der Eröffnungsszene sieht man einen kleinen Jungen wegrennen; anschließend dreht der fast erwachsene Nathan seine Runden auf der Bahn eines Stadions. Das schwere Trauma, vor dem der Problemschüler buchstäblich davonläuft, deckt Damian Harris in dem Drama „Brave the Dark“ erst am Ende auf, auch wenn man es bald ahnt. Auch die Gewissheit, dass Nathan noch auf den richtigen Weg kommen wird, ist dem Film früh anzumerken.
Aus der Bredouille holen
Der von einer wahren Geschichte inspirierte und an ähnlich gelagerte, ähnlich lebensbejahende Werke wie „Good Will Hunting“ erinnernde Film teilt mit seinem idealistischen Lehrer den unerschütterlichen Glauben ans Gute. Als Nathan nach einem Raub ins Gefängnis soll, beginnt sein Lehrer sich so lange für ihn einzusetzen, bis der Junge schließlich bei ihm einzieht und weiter die Schule besuchen darf. Den beiden werden immer wieder Steine in den Weg gelegt, aber dem Lehrer gelingt es jedes Mal, seinen Schützling aus der Bredouille zu holen. Dass scheinbar die ganze Stadt aus ehemaligen Schülern von Stan besteht, wird zum Running Gag, in dem sich die humanistische Botschaft des Films verdichtet: Man gibt niemanden auf.
Die Geschichte von „Brave the Dark“ ist durchaus naiv, vorhersehbar und sentimental. Trotzdem gelingt es Regisseur Damian Harris, sie aufrichtig und berührend zu erzählen. Gut tut dem Film, dass er sich vor allem auf seine zwei Hauptfiguren und die brüchige Dynamik zwischen ihnen konzentriert. Auf den ersten Blick haben die beiden kaum etwas miteinander gemein; erst durch ihre Zwangsgemeinschaft lernen sie sich kennen und mögen.
Obwohl der Film vor allem am Schauspiel interessiert ist und sich dabei auf Stans unaufhaltsame Überzeugungsarbeit und die von aggressiven Ausbrüchen gestörte Melancholie Nathans konzentriert, schafft er dazwischen auch immer Raum für eine souverän metaphorische Bildsprache. Als Nathan beispielsweise seine Leidenschaft für Fotografie entdeckt, schießt er mit seinem Gewehr durch eine Fensterscheibe, um das brüchige Glas als Vorsatz für seine Kamera zu nutzen. Sein Blick auf die Welt ist unweigerlich beschädigt. Als der Junge dann das Foto in der Dunkelkammer entwickelt und es langsam Kontur annimmt, kommen just in diesem Augenblick Polizeibeamte herein, um Nathan festzunehmen. Das durch die Tür hereinfallende Licht färbt das Bild dabei umgehend schwarz, und verdunkelt damit vorerst auch Nathans Zukunft.
Alles kann sich zum Besseren wenden
Dass die Feel-Good-Message zwar den ganzen Film durchzieht, aber nur selten dick aufgetragen wirkt, hat auch mit Nathans brutaler Vorgeschichte zu tun, die ihn in Rückblenden heimsucht. Indem der Junge ständig wegrennt, will er verhindern, dass er zu seinem gewalttätigen Vater wird. Fast scheint sich die Geschichte zu wiederholen, als Nathan die Abfuhr seiner Freundin nicht akzeptieren will. Doch der Film plädiert dafür, dass alles, was unvermeidlich und schicksalshaft erscheint, trotzdem geändert werden kann. Auch wenn es viel Kraft kostet.
Der von Jared Harris als lebenskluger, demütiger Kämpfer verkörperte Lehrer wirkt zunächst durchaus etwas suspekt. Er kennt jeden, hat aber keine Freunde. Gerade erst hat er seine Mutter, die scheinbar seine einzige private Ansprechperson war, bis zu ihrem Tod gepflegt. Angesichts der Wohngemeinschaft mit dem straffällig gewordenen Jugendlichen fragt man sich, ob Stan nicht auch versteckte Absichten hat oder ob sein Helfersyndrom zwanghafte Züge trägt. Einmal sieht man, wie er auf dem Schulgang mit jedem, der seinen Weg kreuzt, herumscherzt. Kaum ist er jedoch unbeobachtet, lässt er sich mit einem lauten Seufzer auf den Stuhl fallen.
Mit sonstigen Hinweisen auf ein gequältes Inneres oder eine geheime Agenda hält sich „Brave the Dark“ aber zurück. Um hilfsbereit zu sein, braucht es keinen Grund, insistiert der Film. Jared Harris lässt seine Figur so nahbar und geerdet wirken, dass man ihr das auch meistens abnimmt.