





Vorstellungen







Filmkritik
Was es bedeutet, die Verbindung zum eigenen Ich und seiner Geschichte zu verlieren, wird in „Così Com'è – Wie es ist“ schon früh deutlich. Bei einer ärztlichen Untersuchung ist Francesco nicht fähig, eine Uhr zu malen. Mit stillem Entsetzen sitzt er in Anwesenheit seiner Ehefrau Emilia vor einem unvollständigen Kreis. Kurz darauf steht er bei einer Umweltdemonstration voller Engagement in den Reihen der Protestierenden, als sich in seinem Gesicht eine kaum merkliche Entfremdung abzeichnet. Der Film dramatisiert diese Momente nicht, sondern zeigt sie vielmehr als kurze Risse zwischen Selbst und Welt.
Zwischen Kalabrien und Köln
In „Così Com’è – Wie es ist“ ist es die diagnostizierte Alzheimer-Erkrankung, die bei Francesco einen „ganz normalen Verlauf“ nehme, wie der Arzt sagt. Zudem ist es nicht der einzige Riss; sie steht nicht einmal im Zentrum. Der Filmemacher Antonello Scarpelli, Sohn des Paares, das Emilia und Francesco verkörpert, erzählt in seiner Autofiktion – mit sich selbst in der Rolle des Antonello – von den Störungen und der Sprachlosigkeit innerhalb einer Familie. Ungewöhnlich ist, dass der Film dabei die Perspektive der in Kalabrien wohnenden Eltern einnimmt, die mit ihrem in Köln lebenden Sohn vor allem über Sprachnachrichten kommunizieren. Früher hätte Antonello ihr doch immer alles erzählt, klagt Emilia einmal; „ja, als Kind“, kommentiert Francesco. Emilia hat noch das Bild der Familie vor Augen, das zu Beginn von „Così Com’è – Wie es ist“ in realen Home-Movie-Ausschnitten zu sehen ist; ein Bild, das von der Zeit längst eingeholt wurde.
Vergeblich versucht Emilia über die räumliche Entfernung hinweg den Kontakt zu ihrem Sohn wieder aufzunehmen und die Kluft zu überbrücken. Sein extremer Rückzug ist ein ständiger Anlass für besorgte Gedanken; sie kann sich aber auch mit kleinen Übergriffen nicht zurückhalten. Etwa wenn sie eine Nachricht damit beendet, dass ihr sein Profilbild auf Skype ganz und gar nicht gefalle.
Der Film wirkt anfangs fast wie eine Skizze, so knapp und zurückhaltend ist er in der Darstellung, die immer wieder auf die wortlosen und von Sorge gezeichneten Gesichter der Eltern zurückfällt. Gelegentlich gibt es Verweise auf Hintergründe und kurze Szenen, die dem lückenhaften Bild dieser Familie ein Fragment hinzufügen. So existiert noch ein anderer Sohn, Giuseppe, der in Kalabrien ohne Arbeit ist und einmal zum Essen vorbeikommt. Die ökonomische Situation ist schwierig. Für Antonello, einem hageren, mutlos aussehenden jungen Mann, dem man erst nach zwei Dritteln des Films zum ersten Mal begegnet, ist sie vor allem mit Scham besetzt.
Freunde holen die Eltern ab
Emilia und Francesco beschließen nach Köln zu fliegen und ihrem Sohn persönlich von der Erkrankung des Vaters zu erzählen. Mit der Reise nach Deutschland, die Antonello mit einer Reihe von Ausflüchten zu verhindern versucht hat, gewinnt der Film an Kontur, wobei er seine sparsamen Mittel beibehält. Kommunikationslosigkeit und das Ausweichen vor dem Aussprechen schmerzhafter Wahrheiten bestimmen die Begegnungen zwischen Eltern und Sohn, der bei ihrer Ankunft zunächst gar nicht da ist und seine Freunde schickt, um sie vom Bahnhof abzuholen. Nach einer ersten Nacht in seiner unaufgeräumten Wohnung ziehen die Eltern in ein neues Quartier, eine Privatwohnung in einem tristen Wohnblock, weit außerhalb der Stadt. Doch nicht nur hier wirken sie von der Umgebung wie abgetrennt. Die Unbehaustheit des Sohnes schiebt sich als anhaltende Verstörung und Unwirtlichkeit in ihr Zusammensein hinein. Francescos Krankheit scheint sich in der fremden Umgebung zu steigern; nachts zieht er sich einmal an, um zu einer Sitzung zu gehen.
Sich selbst weist Antonello Scarpelli eine fast schattenhafte Rolle zu, eine Nicht-Präsenz, die sich fortwährend verweigert und in sich selbst zurückzieht. Antonello wohnt mal hier, mal dort, mietfrei, wie sich herausstellt; eine geregelte Arbeit hat er nicht. Das müssen sich die Eltern aus Bemerkungen der Freunde und irritierenden Momenten allerdings selbst zusammenreimen. Aber auch sie bringen es nicht fertig, ihm vom Anlass ihres Besuchs zu erzählen. Die Abreise ist wie eine Spiegelung der Ankunft. Antonello verschwindet.
Eine neue Verbindung
Ein Großteil der Kommunikation zwischen Eltern und Sohn spielt sich indirekt ab – auf der Mailbox. Stets ist es Emilia, die ins Telefon hineinspricht oder sich auf seine nie zu hörenden Nachrichten bezieht. Wenn sich am Ende des Films zum ersten Mal Antonellos Stimme als Voiceover über die Bilder seiner kalabrischen Heimat legt, hat sich scheinbar wenig geändert. Doch nun ist eine Verbindung da, die es so vorher nicht gab.
