- RegieMatthew Diamond
- ProduktionsländerFrankreich
- Dauer138 Minuten
- GenreDramaMusikBiographie
- Cast
- IMDb Rating8.1/10 (149) Stimmen
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Filmkritik
Was den Deutschen "Faust", ist den Franzosen "Cyrano" - nicht unbedingt was die Gewichtung innerhalb der Literaturgeschichtsschreibung angeht, wohl aber im Hinblick auf die Häufigkeit und Regelmäßigkeit, mit der dieses 1897 verfaßte neuromantische Versdrama von Edmond Rostand auf den Spielplänen der französichen Theater erscheint. Und auch die Filmemacher haben sich immer wieder wenn nicht des Stückes, so doch zumindest der historischen Figur des Cyrano de Bergerac angenommen. Im selben Maße für seine draufgängerische Kühnheit wie für seine empfindsamen Verse und philosophischen Abhandlungen berühmt, mutet das "Leben" dieses schillernden Zeitgenossen Molières bisweilen auch an, als könne es nur in den Drehbuchwerkstätten Hollywoods ersonnen sein. Unter den zahlreichen Adaptionen von unterschiedlicher Qualität sind zwei, in denen José Ferrer den Titelhelden verkörperte: 1950 entstand unter der Regie von Michael Gordon eine ansprechende Theaterverfilmung, die sich eng an die Vorlage hält; Abel Gance hingegen bediente sich des Stoffes 1962 lediglich als Hintergrund für einen pompösen Mantel- und Degen-Film. Nun hat Jean-Paul Rappeneau den Versuch unternommen, beides zu verbinden: die szenische Vorlage Rostands und die Elemente des Abenteuerfilms.
Der Gardist Cyrano de Bergerac ist ein tollkühner Draufgänger, der den Säbel ebenso virtuos zu handhaben weiß wie die Versmaße der klassischen Dichtkunst. Ob sich ihm nun ein tumber Theaterschauspieler oder gleich eine Hundertschaft von Banditen entgegenstellt, wer nicht sein Schwert zu spüren bekommt, den treffen sein geistvoller Witz und beißender Spott. Nur wenn er Roxane, seiner heimlich geliebten Kusine, gegenübersteht, versiegt sein Wortschwall, wird der kühne Recke zum schüchternen Pennäler. Nicht weil ihm die Worte fehlten, doch die Natur hat ihn mit einer derart überdimensionierten Nase ausgestattet, daß er sich partout nicht vorstellen kann, trotz dieses Makels die Liebe einer Frau zu gewinnen. Aber als Roxane ihn unerwartet um ein Rendezvous bittet, wähnt Cyrano sich am Ziel seiner Träume. Doch Roxane vertraut ihm zu seiner großen Enttäuschung nicht nur ihre Liebe zu Christian, einem jungen Kadetten in Cyranos Regiment, an, sondern bittet ihn auch noch, diesen in seinen besonderen Schutz zu nehmen. Christian zeigt sich zwar an Roxane interessiert, ist jedoch ein recht einfältiger Beau, dem es in puncto Liebeserklärungen an Worten gebricht. So bietet sich ihm Cyrano blutenden Herzens, aber nicht ganz uneigennützig als "Ghostwriter" an.
Von den glühenden Liebesbriefen zwischen Ohnmacht und Fieber hin- und hergerissen, verlangt Roxane, Christian endlich zu sehen. Bei einem nächtlichen Rendezvous souffliert Cyrano Christian derartige Schmeicheleien, daß Roxane ihrem Geliebten schmachtend in die Arme schließt. Doch die Liebesnacht wird durch einen Brief des eitlen Grafen De Guiche verhindert, der Roxane seinerseits um ein Tete a Tete noch in derselben Nacht bittet. Während Cyrano De Guiche mit seiner Fabulierkunst an der Pforte aufhält, läßt sich Roxane mit Christian trauen. De Guiche fühlt sich schändlich hintergangen und befiehlt Cyrano und Christian umgehend an die Front, wo spanische Truppen die Stadt Arras belagern. Dort dringt Cyrano unter größten Gefahren täglich durch die feindlichen Linien, um an Roxane - freilich in Christians Namen und ohne dessen Wissen - einen Brief abzuschicken. Von diesen Liebesbezeugungen verzaubert, erscheint Roxane unvermittelt an der Front und erklärt ihrem verdutzten Gatten, nun liebe sie ihn endlich seiner Seele wegen. Da sie seine Seele nur aus "seinen" Briefen kennt, kann das für Christian nichts anderes heißen, als daß sie Cyrano liebt. So drängt er ihn, sich ihr endlich zu erklären. Doch bevor es dazu kommt, wird Christian von einer feindlichen Kugel getroffen. Selbstlos belügt Cyrano seinen sterbenden Freund und Konkurrenten, er habe Roxane alles erklärt, doch sie liebe weiterhin nur ihn, Christian. Die trauernde Witwe flüchtet sich für immer hinter die Mauern eines Klosters, wo Cyrano sie als "treuer Freund" regelmäßig besucht. Als sie ihn eines Tages bittet, ihr Christians letzten Brief, den sie seit jenem Tag bei sich trägt, vorzulesen, macht ihr die Eindringlichkeit seines Vortrages klar, wer der wahre Verfasser nicht nur dieses, sondern all jener Briefe war. Doch als die tragische Liebe endlich ihre späte Erfüllung zu finden scheint, bricht Cyrano, durch ein Attentat schwer verletzt, in ihren Armen zusammen.
Co-Autor Jean-Claude Carrière hat nach eigener Aussage den Klassiker entstaubt, die Handlung gestrafft und sich hinsichtlich der Dramaturgie doch bis ins kleinste Detail an die fünf Akte Rostands gehalten. Und diese ausgeklügelte Dreiecksgeschichte um Liebe und Tod, Hoffnung und Enttäuschung, Verheißung und Versagung ist mit ihrem "faustischen Seelenverkauf`, den vielfältigen (ironischen) Spiegelungen und Brechungen natürlich auch ein Stoff, aus dem große Melodramen gestrickt sind. Einzig der Figur der Roxane wurde etwas mehr "Leben eingehaucht". Sie erscheint nicht nur als etwas naive Schöne, sondern als Frau, die ihre Reize durchaus mit strategischem Kalkül zu verbinden weiß. Sie will nicht nur geliebt, sondern auch verführt werden. Christian, der immer nur "Ich liebe dich" stammelt, entgegnet sie keck: "Sie bieten Milch, und ich will Sahne." Damit aus dem Stück "großes Kino" werde, hat man weder Kosten noch Mühen gescheut: 2000 Darsteller, ein ganzes Arsenal an Waffen und eine Vielzahl von aufwendigen Dekors; Außenaufnahmen an mehreren Orten in Frankreich und Ungarn. Und wo trotz aller Mühen die Natur der Detailbesessenheit nicht genügen wollte, verbreiterte man kurzerhand Flüsse und pflanzte ganze Wälder um. Und keine Frage, man sieht dem Film an, wo all das Geld geblieben ist. Schon die Eröffnungssequenz, in der Cyrano im Theater einen tumben Schauspieler düpiert, ist ein Augenschmaus, der in puncto Ausstattung an Filme wie Ariane Mnouschkines "Molière" oder Fellinis "Casanova" (die Szene im Theater zu Dresden) erinnert: Bilder von betörender Pracht. Da Rappeneau nicht nur einen opulenten Kostümfilm, sondern auch Abenteuer- und Actionkino im Sinn hatte, steigert sich der Aufwand bei den Schlachtszenen im Rahmen der Belagerung von Arras ins Gigantische. Doch all dies geriete auch einem monströsen "Schinken" zur Ehre; nicht minder als das Stück steht und fällt der Film mit der Interpretation der Titelrolle. Es fällt schwer, sich der alten Floskel zu enthalten, daß Gérard Depardieu von jenem Dichter der Romantik hier eine Rolle "auf den Leib geschrieben" wurde. Wie er den Säbel schwingt, Treppen hinaufhastet und dabei Rostands Alexandriner rezitiert, ist schlicht unnachahmlich. Allein ihm ist zu verdanken, daß das Wagnis, auch im Film alle Dialoge in Versform zu belassen, nicht unfreiwillige Heiterkeit auslöst. (Leider geht in der deutschen Fassung von dieser ungestümen Wortgewalt und Fabulierlust einiges verloren. Nicht, daß der Synchronisation grobe Schnitzer wären, aber die Verse büßen doch ihre Melodiösität ein und kommen hölzerner daher als im französischen Original.) Im virtuosen Changieren zwischen überschäumender Vitalität und tiefster Melancholie, rustikaler Grobschlächtigkeit und zarter Poetenseele dürfte Depardieus Verkörperung des Cyrano ein Meilenstein sein, an dem sich alle künftigen Darsteller dieser Figur messen lassen müssen.
"Cyrano von Bergerac" ist großes Erlebnis-Kino. Doch bei allem Aufwand und opulenter Bilderpracht - Rostands Stück in dieser Besetzung auf der Bühne zu sehen, das wäre wahrscheinlich noch größeres Theater.