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Filmkritik
Die britische Schauspielerin Emma Thompson kann nicht zuletzt wegen ihrer frühen Erfahrung als Stand-up-Komikerin mitunter sehr lustig sein. Auch bei Pressekonferenzen, Dankesreden oder öffentlichen Reden über ihre Karriere wie jüngst beim Filmfest in Locarno erweist sie sich als begnadete Entertainerin, die durch pointierte Anekdoten und schlagfertigen Wortwitz besticht. In „Dead of Winter“ versucht sie sich jetzt als Actionheldin im Schnee, ähnlich wie seinerzeit Frances McDormand in „Fargo“ (1996). Doch von McDormands Lakonie und Coolness ist Emma Thompson weit entfernt. Mit traurigem Gesicht und unbeholfener Körperlichkeit spielt sie eine Frau, die den Herausforderungen dieses Films eigentlich nicht gewachsen ist. Der Zufall ist darum ihr größter Helfer.
Ein Haus in der Einsamkeit
Es beginnt mit der Fahrt eines kleinen Pickup-Trucks durch eine einsame Landschaft im verschneiten Norden von Minnesota. Nur die Straße scheint, von hoch oben aufgenommen, als schwarze Linien die weiße Wildnis durchschneiden. Die verwitwete Fischerin Barb (Emma Thompson) ist mit Angelausrüstung und der Urne ihres verstorbenen Mannes zu einem Ort unterwegs, der beiden einmal viel bedeutet hat. Darum will sie dort seinen letzten Wunsch erfüllen. Trotz einer Karte muss sie bei einem abgelegenen Haus einen unfreundlichen Mann nach dem Weg fragen. Als sie schon weiterfahren will, bemerkt sie eine Blutspur. Und sieht kurz darauf, wie ein verängstigtes Mädchen aus dem Haus zu entkommen versucht. Unversehens ist Barb Zeugin einer Entführung geworden. Ohne Telefon und mitten in der Wildnis bleibt ihr keine Wahl: Sie muss das Mädchen Leah (Laurel Marsden) selbst retten. Allerdings trifft sie auf eine Widersacherin mit manischer Entschlossenheit: Judy Greer spielt die wegen ihres violetten Thermo-Overalls nur „Purple Lady“ genannte Frau, die mit Fentanyl-Lutschern im Mund und dem Schießgewehr in der Hand direkt aus der Hölle zu kommen scheint.
Regisseur Brian Kirk bezeichnet „Dead of Winter“ als „brutalen Entführungsthriller, der im Kern eine wunderschöne Liebesgeschichte birgt“. Darin liegt auch das Problem des Films. Beide Genres wollen nicht so recht zueinander passen. Rückblenden in Barbs Vergangenheit oder Fotos, die sie gelegentlich wehmütig betrachtet, zeugen von einem glücklichen Familienleben. Es geht also um Trauer, um Verlust und den Abschied von einem geliebten Menschen. Doch mit dem Auftreten von Judy Greer als durchgeknallt-zerzauster „Purple Lady“ wandelt sich das Drama zu einem bizarren Body-Horror-Thriller, in dem es ums nackte Überleben geht. Der Showdown in einem Zelt auf einem zugefrorenen See ist an Abstrusität kaum zu überbieten.
Nur Schnee, so weit das Auge reicht
Sicherlich könnte man es interessant finden, dass sich zwei Frauen in einem Actionfinale gegenüberstehen. Doch in „Dead of Winter“ geht es weder um weibliche Selbstermächtigung noch um Emanzipation; das Motiv der entschlossenen Actionheldin wurde zudem seit Sigourney Weaver und „Alien“ schon vielfach durchdekliniert. Brian Kirk hatte vielmehr einen anderen, bildgewaltigen und überraschenden Thriller im Sinn. Doch „Dead of Winter“ trägt schwer an misslungenen Drehbucheinfällen, vom Angelhaken, mit dem sich Barb selbst operieren muss, bis zur Nachricht auf einer beschlagenen Fensterscheibe, die sie wegzuwischen vergisst. Mehr als einmal kommt Barb der Zufall zu Hilfe; darüber aber leidet auf Dauer die Glaubwürdigkeit des Geschehens. Immerhin macht der britische Kameramann Christopher Ross die Kälte Minnesotas fast körperlich spürbar – auch wenn in Finnland gedreht wurde. Atemberaubend fängt er die Schneelandschaft ein: kein Baum, kein Strauch, kein Dickicht – nur Schnee, so weit das Auge reicht. Die Menschen stehen hier auf verlorenem Posten.



