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Filmkritik
David Cronenberg, der seine Karriere mit Filmen wie "Parasiten-Mörder" und "Rabid - Der brüllende Tod" begann, wandelt sich mehr und mehr zu einem Regisseur subtileren Horrors. Waren seine frühen Filme noch weitgehend von äußerlicher Effekthascherei beherrscht, so zeigte bereits sein Remake des klassischen Science-Fiction-Films "Die Fliege" eine deutliche Betonung der psychologischen Seite der Story. Die vordergründig immer noch vorwärtstreibenden Horroreffekte der fortschreitenden Verwandlung eines Menschen in ein fliegenähnliches Monstrum sind bereits durchlässig für eine in diesem Genre ungewohnt detaillierte Einlassung mit psychischen Reaktionen. "Die Unzertrennlichen" setzt diese Entwicklung fort. Zuungunsten der Kinokasse kehrt sich die dramaturgische Konstellation sogar um. Bis auf die Schlußszenen läßt der Film sichtbaren Horror völlig vermissen und widmet sich hingegen einer sensiblen, wenn auch von Anfang an nicht minder bedrohlichen (und leider nicht immer geschmackvollen) Darstellung der Psyche eines ungleichen Zwillingspaares.
Elliot und Beverly Mantle sind identische Zwillinge, wissenschaftlich begabt und in der gemeinsam betriebenen Gynäkologen-Praxis zu begehrten Modeärzten geworden. Doch nur auf den ersten Blick sind beide völlig gleich; ihr Wesen zeigt deutliche Verschiedenheiten. Elliot ist lebenshungrig und weltoffen, während Beverly scheu und zurückhaltend lebt. Zum Konflikt führt diese unterschiedliche seelische Struktur aber erst, als beide ein Verhältnis mit einer attraktiven Schauspielerin anfangen, die sie in ihrer Praxis aufgesucht hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben realisieren die Zwillingsbrüder ihre Verschiedenheit, eine Wahrnehmung, die sie in einen immer verworreneren Konflikt zu ihrer gegenseitigen Abhängigkeit stürzt. Als die Schauspielerin für auswärtige Dreharbeiten die Stadt verläßt, steigert sich der Konflikt ins Dramatische. Immer schon haben Aufputsch- und Beruhigungsmittel im Leben der Zwillinge eine Rolle gespielt. Nun aber beginnen die Narkotica als Surrogate für die verlorene Identität zu dienen. Die Abhängigkeit voneinander ist angeborener Zwang und verhaßte Identitätslosigkeit zugleich. Je krankhafter sich der psychische Ablösungsprozeß manifestiert, um so schrecklicher schlägt er in reale Folgen um. Operationsinstrumente, die mittelalterlichen Folterwerkzeugen nachempfunden scheinen, werden zur Obsession und dienen schließlich als schauerliches Hilfsmittel der in die Tat umgesetzten "Befreiung". Das letzte Bild des Films erstarrt zur Einstellung des über seinem hingeschlachteten Bruder zusammengesunkenen Zwillings - eine stilisierte Pieta.
Die Geister werden sich scheiden an diesem Film. Die einen werden ihn für krankhaft, die anderen für eine subtile Krankengeschichte halten. Die einen werden von der Hinwendung zum tiefenpsychologischen Horror fasziniert, die anderen gelangweilt sein. Stilistisch, darauf kann man sich vielleicht einigen, ist Cronenberg einen deutlichen Schritt vorangekommen. "Die Unzertrennlichen" ist von großer Konsequenz in der Wahl seiner filmischen Mittel: das unterkühlte Spiel Jeremy Irons in der schwierigen Doppelrolle, das nur in entscheidenden Augenblicken wie Blitze vor einem Gewitter das Temperament herausfahren läßt; die antiseptische Atmosphäre der Dekors; die unterschwelligen Anzeichen des sich langsam verdichtenden Schreckens. Könnte man die Erzähltechnik Edgar Allan Poes ihrer barocken Schnörkel entkleiden und sie mit der Phantasie eines Stephen King kreuzen, so näherte sich das Ergebnis vermutlich sehr der Struktur dieses Films: eine schrittweise, logisch fortschreitende Analyse psychischen Horrors. Die seziererische Kälte des Films wird nicht jedermanns Sache sein.