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Der Tod ist ein Arschloch

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Szenebild von Der Tod ist ein Arschloch 1
Ein Bestattungspunk und sein Team möchten den tabuisierten Umgang mit Tod und Trauer radikal ändern. Der ehemalige Musikmanager Eric Wrede gehört zu einer neuen Generation von Bestattern, denen daran gelegen ist, Verstorbenen mit Respekt und Angehörigen mit Empathie zu begegnen und so neue Wege der Trauerarbeit zu ermöglichen. Doch wie gehen diese modernen Bestattungsprofis damit um, wenn sie plötzlich persönlich und emotional von Fällen betroffen sind?
  • Veröffentlichung25.01.2025
  • Michael Schwarz
  • Deutschland (2025)
  • 79 Minuten
  • Dokumentation
  • FSK 12
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Ohne Tod und Sterben könnte die Kunst wohl einpacken. Kaum ein Film, kaum ein literarisches Werk kommt ohne jenes vermeintliche Tabu aus. Dem seit der antiken Tragödie dramaturgisch unverzichtbaren Tod, aber auch der Angst vor ihm und dem kollektiven Wunsch nach seiner lachenden Abwehr verdankt die narrative Kunst vielfach überhaupt erst ihre Existenz. Doch selbst wenn Bestattungen in Film wie im echten Leben inzwischen häufiger mit bunten Gewändern und fröhlichem Beisammensein begangen werden und dabei die Enttabuisierung des Todes feiern, so bleibt doch eine letzte Scheu: die vor dem toten Körper.

Bevor in dem Dokumentarfilm „Der Tod ist ein Arschloch“ von Michael Schwarz ein echter Leichnam ins Bild kommt, von der Kamera von Alexander Griesser respektvoll und behutsam in den Blick genommen –, sieht man einen grauen Hinterhof im Schneeregen. Ein Tag wie gemacht fürs Sterben. Eine Bestatterin und ein Bestatter hieven eine Bahre aus dem Auto und betreten das Gebäude. Die Kamera bleibt draußen. Nur auf der Tonspur ist zu hören, wie die Bestatterin im Haus einer Frau in unaufgeregten Worten erläutert, was sie als nächstes tun wird. Bald ist klar: Die angesprochene Frau ist tot.

Vermittler zwischen Leib und Seele

Viel ist in den letzten Jahren vom Wandel im Bestattungswesen gesprochen worden, das immer individueller und vielfältiger wird. Wo das Korsett – oder die bergende Obhut – kultureller oder religiöser Konventionen gelockert wird, steigt zugleich der Beratungsbedarf. Wie geht „gutes“ Sterben, und welchen Raum braucht die Trauer? Es sind zunehmend die Bestatter, denen eine Vermittlerrolle zwischen Leib und Seele, Individuum und Gesellschaft zugewiesen wird; das spiegelt sich auch im Erfolg von Filmen und Serien wie „Nokan - Die Kunst des Ausklangs“, „Six Feet Under“ oder „Das letzte Wort“.

Der Film porträtiert Eric Wrede, einen ehemaligen Musikmanager. Er gilt als „Deutschlands bekanntester Bestatter“, hat eine eigene Kolumne, bespielt einen „Podcast auf Leben und Tod“ und veröffentlichte den Bestseller „The End - Das Buch vom Tod“ sowie einen Gesprächsband. Seine Beliebtheit lässt sich leicht erklären: Zugewandt und trotzdem ungeschönt bringt Wrede die Dinge auf den Punkt. Denn wer einen geliebten Menschen verliert, für den ist der Tod zuallererst genau das: ein Arschloch. Er nimmt, ohne zu fragen, er gibt keine Antworten, vernichtet, macht alle gleich und nimmt keine Rücksicht auf Befindlichkeiten. Der Tod ist auch insofern ein ignorantes Arschloch, als er – anders als im mehrfach verfilmten „Brandner Kaspar“ nach der Erzählung von Franz von Kobell – nicht mit sich reden lässt. Weder versteht er Spaß, noch lässt er sich mittels Schnaps hereinlegen. „Der Mensch ist weg und kommt nie wieder“, heißt es in dem Film.

Lebensnah bestatten

Wenn sich mit dem Tod nicht reden lässt, so kann doch der Umgang mit den Toten und dem Sterben angstfreier gestaltet werden. So lässt sich die Haltung von Wrede umschreiben, der sein Unternehmen so paradox wie trostvoll „Lebensnah Bestattungen“ nennt und ein vielseitiges Team um sich geschart hat. „Ich mag die Arbeit mit den Verstorbenen sehr, man kann sich gut mit ihnen unterhalten“, sagt etwa Wredes Mitarbeiterin Maria Schuster. Auch sie perforiert damit die Grenze, die biologisch, aber mehr noch kulturell zwischen Reden und Verstummen gezogen ist, sobald es um die Toten geht. Die Toten „mahnen“. Das ist traditionell alles; es schmerzt und soll letztlich die Lebenden zum Verstummen bringen. Tabuthema Tod.

Fern von betretenem Schweigen, auf ruhige, nie geschäftsmäßige Weise erklärt die einstige Schauspielerin Maria Schuster, warum sie mit den ihr anvertrauten Körpern spricht: „Ich stell’ mir vor, ich lieg’ da. Ich bin jeder Verstorbene. Ich möchte, dass man mich wahrnimmt. Ich will gut behandelt werden, ich will mit Liebe behandelt werden, ich will nicht grob angefasst werden, ich möchte respektiert werden, auch als Verstorbener.“ Das ist in manchen Kliniken und Pflegeeinrichtungen nicht einmal vor dem Tod gewährleistet. Auch Wredes Partnerin Siv-Marie Wrede, die früher als Texterin in einer Werbeagentur arbeitete, und die Kosmetikerin Katja Seydel offenbaren in ihrer bewussten Hinwendung zu diesem Beruf einen unbedingten Willen zum Respekt.

Ein „Danach“ gibt es immer

Natürlich funktioniert der immer wieder von lakonischem Witz und melancholischen Stadttableaus durchzogene Film wie eine gelungene Werbung für ein menschlich-modernes Bestattungswesen. Wahr ist: Eine empathische Behandlung wünscht sich wohl jeder. Denn egal, ob jemand an ein Leben nach dem Tod, an die Auferstehung oder an gar nichts glaubt: Ein „Danach“ gibt es immer, nämlich den Umgang mit dem Körper nach dem Tod. Und für Hinterbliebene, die durch den Tod eines Angehörigen die verbindende Erfahrung machen könnten, dass man die Arschlochhaftigkeit doch einfach dem Tod überlassen kann. Während man selbst am besten schon zu Lebzeiten nett zueinander ist.

Veröffentlicht auf filmdienst.deDer Tod ist ein ArschlochVon: Cosima Lutz (31.10.2025)
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