





Vorstellungen







Filmkritik
Der 17-jährige Adi (Ciprian Chiujdea) verbringt die letzten Sommerferien vor dem Studium in seinem Heimatdorf im Donaudelta in Rumänien. Das Dorf liegt auf einer idyllischen Insel, die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Adis Vater Florin (Bogdan Dumtrache) ist ein bescheidener Fischer, der es gerne sähe, wenn sein Sohn die Marineakademie besuchen würde. Doch Adi hat andere Pläne. Eines Nachts wird Adi nach einem Discobesuch zusammengeschlagen und schwer verletzt; zuvor hatte er einen jungen Besucher aus Bukarest geküsst. Außerdem ist sein Mobiltelefon verschwunden.
Abgeschieden und allein
Bei den Ermittlungen des Polizeichefs Pantele (Valeriu Andriutâ) stellt sich heraus, dass die Täter die Söhne des einflussreichen Dorfbonzen Zentow (Richard Bovnoczki) sind, bei dem Florin in der Kreide steht. Während Pantele die Angelegenheit am liebsten unter der Hand regeln möchte, versucht Zentow, das Verbrechen zu vertuschen und den Konflikt mit Geld beizulegen. Zudem gibt er das gestohlene Telefon zurück. Florin und seine Frau Maria (Laura Vasiliu) sind geschockt. Sie sperren Adi ein, nehmen ihm das Mobiltelefon ab und bitten den Priester Eugen (Adrian Titieni), ihren Sohn durch eine Art Exorzismus von der Sünde der Homosexualität zu befreien.
Ein anonymer Anruf alarmiert jedoch Simona (Alina Berzunţeanu), eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, die den Fall ernsthaft aufzuklären versucht, aber von ihrem korrupten Vorgesetzten ausgebremst wird. Hilfe kann Adi nur noch von seiner Freundin Ilinca (Ingrid Micu-Berescu) erwarten.
Eine gefährliche Mixtur
Der rumänische Regisseur Emanuel Pârvu setzt in „Drei Kilometer bis zum Ende der Welt“ auf scharfe Gegensätze. Die Kamera von Silviu Stavilâ schweift immer wieder über die schier endlose Weite des Donaudelta und die unbefestigten Straßen des ärmlichen Dorfes; unter dem stets blauen Himmel bringt sie die Schönheit der Natur zum Leuchten. Zugleich aber entwirft der Film ein beklemmendes Porträt der rumänischen Provinz. In der ländlichen Enge vermischen sich Vorurteile und Intoleranz, Homophobie und religiöser Fanatismus. Zusammen mit Machtmissbrauch, Korruption und systematischem Staatsversagen ergeben sie eine gefährliche Mixtur, an der der junge Mann zu zerbrechen droht.
Wie in einem Thriller kommen die Hintergründe und Verstrickungen erst im Zuge der Ermittlungen ans Licht. Eine Schlüsselrolle spielt der jovial wirkende Polizist Pantele, der einen Skandal vermeiden möchte; das könnte seinen Plan gefährden, bald in Vorruhestand zu gehen. Er will verhindern, dass Adis Anzeige den offiziellen Dienstweg geht, und er versucht, zwischen Florin und Zentow zu vermitteln. „Wenn du Hilfe willst, lass mich die Dinge regeln“, sagt er zu Adis Vater.
Pantele, Zentov, Florin, Maria und Eugen suchen aus unterschiedlichen Gründen, aber entschieden nach einer Lösung für die verfahrene Lage. Denn allen ist klar: Wenn sich der Verdacht der Homosexualität im Dorf herumspricht, wird eine Hexenjagd gegen Adi einsetzen. Pantele reagiert deshalb panisch, als ihm klar wird, dass durch den anonymen Hinweis die Anzeige im Computersystem der Behörden gelandet ist. Seine Warnung an Florin fällt deutlich aus: „Wenn dein Sohn redet, sind wir am Arsch.“
Ein Vater gegen seinen Sohn
Panteles Verständnis des Rechtsstaats mutet bedenklich an. Für ihn ist eine Zeugenaussage erst relevant, wenn sie unterschrieben ist. Einen ärztlichen Untersuchungsbericht akzeptiert er nur, wenn er von einem forensischen Institut bestätigt und amtlich zertifiziert ist. Dieses überaus bürokratische Procedere bremst die Ermittlungen gegen die Täter aus und wirft Fragen nach der Arbeitsfähigkeit von Strafverfolgung und Justiz auf.
Ähnlich bizarr wirkt die Untersuchung des Opfers durch eine Ärztin. Während sie seine zugeschwollenen Augen, Wunden im Gesicht und Prellungen auf dem Rücken begutachtet, schauen die Eltern und zwei Polizisten zu. Ärztliche Schweigepflicht, Privatsphäre, Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz spielen dabei keine Rolle. Das Menschenbild, das dabei offenbar wird, schockiert. In einem heftigen Streitgespräch sagt Florin über seinen Sohn: „Ich habe ihn gezeugt, ich kann ihn töten. Aber niemand sonst kann ihn anrühren.“
Der Leidensweg des jungen Mannes und die kriminalistischen Rochaden seiner Umwelt werden meist in langen Einstellungen und einer ruhigen Montagefrequenz erzählt. Getragen wird der Film von einem soliden Darstellerensemble, aus dem Ciprian Chiujdea und Bogdan Dumtrache hervorstechen. Mit minimaler Mimik machen sie den schmerzhaften Machtkampf zwischen Sohn und Vater sichtbar, die sich lieben, aber nicht zusammenleben können. Eindringlich ist aber auch die Leistung von Laura Vasiliu als Mutter, die den Kopf ihres schwer verletzten Sohnes zu Beginn in ihren Schoß bettet. In ihrem religiösen Fanatismus scheut sie nicht davor zurück, Adi zu fesseln, damit der Priester ihm mit Gebeten die sündigen Gedanken austreiben kann.