





Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Dave Eggers schreibt Romane, die getränkt sind mit den Nervositäten der Gegenwart. Durch die Augen seiner Protagonisten schaut er auf eine sich ständig neu konfigurierende Welt, in der alte Gewissheiten schneller zerfließen als neue sich verfestigen können. Tom Tykwer wiederum hat sich einen Ruf mit Filmen gemacht, die in ihrer Formsprache das scheinbar Bekannte aufbrechen und ganz neu erzählen, wobei sie sich gleichzeitig aber auf die Schwächlichkeiten und Verunsicherungen ihrer Figuren einlassen. Dieser Tom Tykwer, jedenfalls der vor „Das Parfum“ (fd 37 785), hätte der ideale Regisseur für die Verfilmung der Leidensgeschichte von Alan Clay sein können, einem eigentlich sympathischen Kerl von gestern, einem modernen Willy Loman, der von den Winden der Globalisierung, die er einst selbst kräftig mit angepustet hat, am Ende davongewirbelt wird. Inszeniert hat „Ein Hologramm für den König“ allerdings ein anderer Tom Tykwer: ein Routinier, der das leichte Erzählen perfektioniert hat, ein Entertainer, der einen ansehnlichen, unterhaltsamen Film inszeniert hat, der allerdings in keiner Sekunde an das erinnert, was in „Winterschläfer“ (fd 32 807) steckte oder in „Lola rennt“ (fd 33 256). In „Heaven“ (fd 35 285) hatte Tykwer noch die Geschichte eines Bettnässers erzählt; nun verleiht er einer Niete im Bett die nötige Potenz, um kulturelle Unterschiede wegzuvögeln. Diese Unterschiede prasseln auf Alan Clay nur so ein, der einst die Fertigung einer renommierten amerikanischen Fahrrad-Firma nach China verlegte und nun als frei flottierender Consultant einem IT-Unternehmen helfen soll, eine größenwahnsinnige, noch mehr aus Sand denn aus Stein bestehende Wüstenstadt zu vernetzen. Telefonieren mit einem 3D-Hologramm des Gesprächspartners: das wäre doch was für diese superreichen Scheichs! Noch allerdings ist die Ausschreibung nicht gewonnen. Clays Team versauert derweil in einem Zelt ohne WLAN und funktionierende Klimaanlage. Der König, Gründer und Namensgeber des Stadtprojektes, lässt genauso auf sich warten wie der Ansprechpartner für die potenziellen Lieferanten; überdies wächst auf Clays Rücken ein Geschwür, während daheim in der USA seine Tochter dringend Geld für ihre College-Laufbahn gebrauchen könnte. Tom Hanks, der große Jedermann des amerikanischen Kinos, geht in der Titelrolle auf: Er lässt die beiden Alans, den lächerlichen wie den Sympathieträger, gekonnt ineinanderfließen. Die Bilder von Frank Griebe sind von einer glasklaren, lichtdurchfluteten Perfektion. Selbst die Szenen, die in einer bunten, lebendigen Welt unter der Meeresoberfläche ein verspieltes Refugium jenseits von Moralterror und Leistungsdruck imaginieren, wirken fast steril – so unwirklich wie neureiche Retortenstädtchen, und so leicht konsumierbar, wie sich versöhnliche Komödien diesseits wie jenseits des Atlantiks allzu oft präsentieren. Einmal verirrt sich Clay in einem Musterwohnhaus und stolpert durch ein düsteres Geschoss im Bauzustand, wo sich die von Arbeitsdreck gezeichneten Gastarbeiter gerade in einer Schlägerei verstricken. Wenige Schritte und noch weniger Schnitte weiter gleitet er geradewegs in eine hochglanzpolierte Vorzeigewohnung, wo ihm sogar ein kühles Bier serviert wird. Doch selbst in solchen Ambivalenzen oder in den zaghaften Tauchgängen zur wirklich dunklen Seite des saudischen Wirtschaftswunders steckt also eine Berechenbarkeit, die auf den Effekt der maximalen Konfrontation schielt und damit viele Einstellungen des Films prägt. Da steht Clay in einer Rückblende vor Dutzenden Fahrradmonteuren, denen er seine „Sanierungspläne“ vorstellen muss. Eine Herde Kamele lungert auf der Straße herum, während sich Clay auf dem Beifahrersitz erstmals von dem redseligen Chauffeur Yousef herumkutschieren lässt. Und immer wieder schieben sich schwarze und weiße Flächen in Clays Blick: Thawbs und Burkas. Diese Momentaufnahmen sind nicht deshalb schwach, weil sie das Ressentiment der blickenden Figur übernehmen. Vielmehr erinnern sie an einen besseren Film, der in Tykwers Arbeit steckt, ein kafkaeskes, elendes, auswegloses Verwirrspiel in der undurchdringlichen Fremde.
