Zum Hauptinhalt springen

Ein Hologramm für den König

Tickets
Szenebild von Ein Hologramm für den König 1
Szenebild von Ein Hologramm für den König 2
Szenebild von Ein Hologramm für den König 3
Szenebild von Ein Hologramm für den König 4
Szenebild von Ein Hologramm für den König 5
Szenebild von Ein Hologramm für den König 6
Alan Clay, Alter 54, Opfer der Bankenkrise, hat eine letzte Chance. Er soll innovative Hologramm-Kommunikationstechnologie an den Mann, besser gesagt den König bringen: König Abdullah von Saudi-Arabien lässt mitten in der arabischen Wüste eine strahlende Wirtschaftsmetropole errichten. Doch der König kommt nicht. Nicht am ersten Tag, nicht am zweiten - und auch nicht in den Tagen danach. In diesen Tagen der Unverbindlichkeit und des Wartens wird der junge Fahrer Yousef Alans Gefährte. Durch ihn erlebt er die Widersprüchlichkeiten eines Landes zwischen Aufbruch und Stillstand, zwischen Tradition und Moderne. Und er lernt die schöne Ärztin Zahra kennen. Anhand dieser Begegnungen und der neuen kulturellen Eindrücke entwickelt sich Alan Clay vom zielstrebigen und erfolgsgetriebenen Salesman zu einer Person, die sich selbst Perspektiven sucht und für sich einen neuen Platz im Leben findet. So gerät für Alan immer mehr zur Nebensache, ob der König nun kommt oder nicht. (Quelle: Verleih)
Seine veralteten Geschäftsvorstellungen sind dabei jedoch nicht von Vorteil. In Saudi-Arabien soll eine neue Wirtschaftsmetropole entstehen und Clay möchte dem saudischen König Abdullah eine neuwertige Hologramm-Technologie vorstellen, die von großem Nutzen für die aufblühende Stadt sein könnte. Dabei muss er nicht nur mit der erdrückenden Hitze Saudi-Arabiens klarkommen, sondern sich auch noch gedulden, ob der König überhaupt zu einem Treffen erscheint. Während er wartet, lernt er mithilfe des Fahrers Yousef (Alexander Black) ein Land voller Widersprüchlichkeiten kennen – und bald auch die schöne Ärztin Zahra (Sarita Choudhury)...

Leider gibt es keine Kinos.

Dave Eggers schreibt Romane, die getränkt sind mit den Nervositäten der Gegenwart. Durch die Augen seiner Protagonisten schaut er auf eine sich ständig neu konfigurierende Welt, in der alte Gewissheiten schneller zerfließen als neue sich verfestigen können. Tom Tykwer wiederum hat sich einen Ruf mit Filmen gemacht, die in ihrer Formsprache das scheinbar Bekannte aufbrechen und ganz neu erzählen, wobei sie sich gleichzeitig aber auf die Schwächlichkeiten und Verunsicherungen ihrer Figuren einlassen. Dieser Tom Tykwer, jedenfalls der vor „Das Parfum“ (fd 37 785), hätte der ideale Regisseur für die Verfilmung der Leidensgeschichte von Alan Clay sein können, einem eigentlich sympathischen Kerl von gestern, einem modernen Willy Loman, der von den Winden der Globalisierung, die er einst selbst kräftig mit angepustet hat, am Ende davongewirbelt wird. Inszeniert hat „Ein Hologramm für den König“ allerdings ein anderer Tom Tykwer: ein Routinier, der das leichte Erzählen perfektioniert hat, ein Entertainer, der einen ansehnlichen, unterhaltsamen Film inszeniert hat, der allerdings in keiner Sekunde an das erinnert, was in „Winterschläfer“ (fd 32 807) steckte oder in „Lola rennt“ (fd 33 256). In „Heaven“ (fd 35 285) hatte Tykwer noch die Geschichte eines Bettnässers erzählt; nun verleiht er einer Niete im Bett die nötige Potenz, um kulturelle Unterschiede wegzuvögeln. Diese Unterschiede prasseln auf Alan Clay nur so ein, der einst die Fertigung einer renommierten amerikanischen Fahrrad-Firma nach China verlegte und nun als frei flottierender Consultant einem IT-Unternehmen helfen soll, eine größenwahnsinnige, noch mehr aus Sand denn aus Stein bestehende Wüstenstadt zu vernetzen. Telefonieren mit einem 3D-Hologramm des Gesprächspartners: das wäre doch was für diese superreichen Scheichs! Noch allerdings ist die Ausschreibung nicht gewonnen. Clays Team versauert derweil in einem Zelt ohne WLAN und funktionierende Klimaanlage. Der König, Gründer und Namensgeber des Stadtprojektes, lässt genauso auf sich warten wie der Ansprechpartner für die potenziellen Lieferanten; überdies wächst auf Clays Rücken ein Geschwür, während daheim in der USA seine Tochter dringend Geld für ihre College-Laufbahn gebrauchen könnte. Tom Hanks, der große Jedermann des amerikanischen Kinos, geht in der Titelrolle auf: Er lässt die beiden Alans, den lächerlichen wie den Sympathieträger, gekonnt ineinanderfließen. Die Bilder von Frank Griebe sind von einer glasklaren, lichtdurchfluteten Perfektion. Selbst die Szenen, die in einer bunten, lebendigen Welt unter der Meeresoberfläche ein verspieltes Refugium jenseits von Moralterror und Leistungsdruck imaginieren, wirken fast steril – so unwirklich wie neureiche Retortenstädtchen, und so leicht konsumierbar, wie sich versöhnliche Komödien diesseits wie jenseits des Atlantiks allzu oft präsentieren. Einmal verirrt sich Clay in einem Musterwohnhaus und stolpert durch ein düsteres Geschoss im Bauzustand, wo sich die von Arbeitsdreck gezeichneten Gastarbeiter gerade in einer Schlägerei verstricken. Wenige Schritte und noch weniger Schnitte weiter gleitet er geradewegs in eine hochglanzpolierte Vorzeigewohnung, wo ihm sogar ein kühles Bier serviert wird. Doch selbst in solchen Ambivalenzen oder in den zaghaften Tauchgängen zur wirklich dunklen Seite des saudischen Wirtschaftswunders steckt also eine Berechenbarkeit, die auf den Effekt der maximalen Konfrontation schielt und damit viele Einstellungen des Films prägt. Da steht Clay in einer Rückblende vor Dutzenden Fahrradmonteuren, denen er seine „Sanierungspläne“ vorstellen muss. Eine Herde Kamele lungert auf der Straße herum, während sich Clay auf dem Beifahrersitz erstmals von dem redseligen Chauffeur Yousef herumkutschieren lässt. Und immer wieder schieben sich schwarze und weiße Flächen in Clays Blick: Thawbs und Burkas. Diese Momentaufnahmen sind nicht deshalb schwach, weil sie das Ressentiment der blickenden Figur übernehmen. Vielmehr erinnern sie an einen besseren Film, der in Tykwers Arbeit steckt, ein kafkaeskes, elendes, auswegloses Verwirrspiel in der undurchdringlichen Fremde.

Veröffentlicht auf filmdienst.deEin Hologramm für den KönigVon: Tim Slagman (13.10.2025)
Über filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de