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Filmkritik
„Sind wir allein?“ Diese Frage wird in dem neuen Film aus dem Hause Pixar mehrmals gestellt. Dass wir Menschen allein im Weltall leben, ist bei der Vielzahl von Galaxien mit Millionen von Sternen und Planeten mehr als fraglich. Vielleicht ist das Leben auf einem fernen Planeten sogar schöner als auf der Erde. Daran glaubt der kleine Elio in seiner Faszination für den Weltraum felsenfest. Der elfjährige Junge lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern zusammen mit seiner Tante Olga auf einem US-Luftwaffenstützpunkt. Doch die Tante meckert nur, und die Mitschüler sind doof. Elio hat keine richtigen Freunde; er ist anders und träumt in seiner überschäumenden Fantasie davon, von Außerirdischen adoptiert zu werden. Das All ist sein Sehnsuchtsort.
Beam me up!
„Aliens – Entführt mich!“, schreibt er am Strand mit großen Buchstaben in den Sand und legt sich dazwischen, in der Hoffnung, in bessere Welten entführt zu werden. Tatsächlich werden durch seine Sprachnachricht freundliche Aliens angelockt, die den kleinen Kerl mit dem blauen Augenpflaster mitten in die Konferenz des Kommuniversums beamen, so etwas wie die Vereinten Nationen mit intergalaktischen Ausmaßen. Durch ein Missverständnis hält man Elio für den Anführer der Erde – und damit genau für den Richtigen, um das Kommuniversum vor dem Superschurken Lord Grigon zu bewahren.
Einmal mehr verhandeln die Macher von Pixar, in diesem Fall die Regisseure Adrian Molina, Madeline Sharafian und Domee Shi, Werte wie Freundschaft und Heranwachsen, Gemeinschaft und Zugehörigkeit, Verlust und Trauer. Der Träumer und Außenseiter Elio muss neue Freundschaften schließen. Denn nur mit anderen zusammen kann er etwas erreichen; nur mit Mut und Fantasie kommt er ans Ziel. Wichtiger aber ist noch, dass er herausfindet, wohin er gehört. „Dein Leben ist nicht da oben. Es ist hier unten“, sagt Olga einmal zu ihrem Neffen und verortet so sein eigentliches Zuhause. Die Beziehung zwischen dem Jungen und seiner Tante ist anfangs von Entfremdung und Unverständnis geprägt. Die übergeschnappte Idee, Elio zu klonen, um seine lange Abwesenheit von zuhause zu kaschieren und überdies ein freundlicheres Alter Ego von ihm zu präsentieren, unterstreicht diese Vermutung. Die Regisseure fabulieren in diesen Szenen munter drauflos und setzen sich keine Grenzen.
Ein Pudding mit zwei Augen
Das Gleiche gilt für die Brillanz der Bilder und den Reichtum der Ideen. Schon allein die vielen unterschiedlichen Aliens bei der Kommuniversum-Versammlung sind in ihrer Vielfalt, Verrücktheit und Farbenfrohheit schlicht bereichernd. Vom umgedrehten Wackelpudding mit zwei Augen bis zum ägyptisch anmutenden Stein-Mosaik, vom Eierkopf auf Stelzen bis zu überdimensionalen Raupen ist alles vertreten. „Elio“ ist in 3D gedreht, ohne dass davon viel Aufhebens gemacht würde. Die Staffelung der vielen Figuren in der Tiefe, die im Vordergrund hängenden Wassertropfen, die rasche Fortbewegung durch Gänge, Höhlen, Tunnel – in Anlehnung an „2001: Odyssee im Weltraum“ – oder Zeit-Raum-Schleusen ist schlichtweg atemberaubend anzuschauen.
Weil es keine Schwerkraft gibt, bewegen sich die Figuren auf mehrere Ebenen oder scheinen in der Luft zu hängen; alles ist ständig in Bewegung. Die Regisseure haben eine ganz eigene Welt entworfen, attraktiv, lebendig und voller Energie. Manchmal weiß man gar nicht, wohin man zuerst schauen soll, weil so viel gleichzeitig passiert und die Erzählung mit Macht nach vorne drängt. Trotzdem fordert der Film am Schluss Einfachheit und Schlichtheit ein: „Die Erde ist Heimat“, heißt es an einer Stelle. Das ist ein beruhigender Gedanke.