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Filmkritik
Kaspar Molinski (Kim Bodnia) wirft einen Blick in die Zukunft. Die bisherige Saison haben er und sein Team abgehakt. Nach mehr als der Hälfte aller Formel-1-Rennen hat der APXGP-Rennstall noch keinen einzigen Punkt vorzuweisen. Der symbolische Blick, den der Teamchef theatralisch inszeniert, sollte eigentlich der Rennstrecke gelten. Doch die Zukunft kommt just in diesem Moment tatsächlich in der Boxengasse an. Nur bringt sie eben nichts Neues, sondern einen in Jeans, Piloten-Sonnenbrille und Lederjacke gehüllten Mittfünfziger. Sonny Hayes (Brad Pitt) ist der Fahrer, den der Eigentümer von APXGP, Ruben Cervantes (Javier Bardem), für die restlichen Rennen der Saison angeheuert hat.
Ein nostalgisches Auslaufmodell
Sonny ist ein nostalgisches Auslaufmodell, das als solches im zeitgenössischen Kino gar nicht anders kann, als einen Siegeszug anzutreten. Sein letzter Formel-1-Auftritt mag über 30 Jahre zurückliegen und in einem entsetzlichen Unfall geendet haben; doch sein jüngster Sieg ist nicht einmal eine Woche alt. Sonnys Auftritt beim 24-Stunden-Rennen von Daytona ist die Eröffnungsszene des Films von Joseph Kosinski. Ein Action-Meisterstück, das in wenigen Sekunden vom Meeresrauschen und einem Gesichtsbad im Eiswasser auf 300 Stundenkilometer beschleunigt, als sich Sonny aufrafft, um seine Nachtschicht auf der Rennstrecke anzutreten.
Im Hintergrund hat Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ das Meeresrauschen abgelöst; das Schlagzeug-Solo von John Bonham begleitet Sonny auf die Rennstrecke, wo der Veteran bereits in der ersten Runde die Plätze wieder gutmacht, die seine Teammitglieder zuvor verloren haben. Von der Trophäe will er nichts wissen; ihn interessiert allein der Scheck, der ihn bis zum nächsten Rennen über die Runden bringt.
Hier ticken die Uhren anders
Dass in der Königsklasse des Rennsports die Uhren mittlerweile anders ticken, lernt Sonny schnell. Hier werden nicht mehr die Rockklassiker gespielt; aus den Anlagen wummern vielmehr Elektro-Beats. Nicht Klimmzüge, Liegestütze und morgendliches Jogging sind angesagt, sondern Laufband, Fitness-Maschine, Computeranalyse und Laktattest. Die erste Testfahrt ist dementsprechend eine Bruchlandung, aber eben auch eine verdammt schnelle. Sonnys Zeit liegt nur knapp hinter der seines Teamkollegen Joshua (Damson Idris), auch wenn vom Auto nur noch das Fahrgestell übrigbleibt.
Das ist ein Muster, das sich schnell wiederholt. Sonny fährt Autos zu Bruch, bricht Regeln, wirft Strategien über den Haufen, schmeißt Pressetermine und ignoriert Ratschläge – er weiß es eben besser. Doch die reaktionäre Agenda ist entgegen aller Erwartung erfolgreich. Sonny zerlegt einen Wagen nach dem anderen und holt damit das in allzu technischen Details verirrte Team wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Seine Methoden mögen fragwürdig sein, doch der talentierte Jungspund Joshua braucht sichtlich einen Nackenschlag, damit er seine Aufmerksamkeit vom Image und der eigenen Social-Media-Reichweite wieder zurück auf die Rennstrecke lenkt.
Routiniertes Bombast-Handwerk
Das ist nur eines von unzähligen „Old School“-Klischees, die das Drehbuch von Ehren Kruger und Joseph Kosinski so schamlos aneinanderreiht, als habe es mehrere Jahrzehnte in einer Studio-Schublade gelegen, um nun, aufgerüstet mit den High-Tech-Spielereien des Formel-1-Betriebs und gefilmt mit den neuesten Gadgets des modernen Kinobetriebs, endlich seinen Weg auf die Leinwand zu finden. Das schadet allerdings nur dort, wo die Rennfahrer-Gockeleien für strapaziöse Rennfahrer-Seelenstrips und lauwarme Rennfahrer-Liebesbeziehungen Platz machen müssen. Der Rest ist routiniertes Bombast-Handwerk auf bekannten Strecken.
Entsprechend gut fügt sich „F1“ ins zeitgenössische Rennsport-Kino ein, das ähnlich wie der Spätwestern immer Bedarf an alten Männern hat, die die neuen Karren aus dem Dreck ziehen können. In diesem Fall steht das Equipment ganz im Dienst der Rennsport-Königsklasse, die mit mehr als 200 Millionen Dollar Budget beworben wird. „F1“ ist damit – anders als „Le Mans 66 - Gegen jede Chance“ (2019) oder „Ferrari“ (2023) – nicht um die Schnittstellen erzkonservativer Männlichkeit herumgebaut. Der Film ergeht sich auch nicht im Vergleich von Potenz und Pferdestärken und interessiert sich auch nicht für die bitteren Konsequenzen, die der technisch-ökonomische Fortschritt in mythologisierten Männerwelten anrichtet. Hier holt sich vielmehr ein dickköpfiger Boomer, was ihm allzu lange verwehrt blieb – mit dem feinsten Equipment der jungen Generation.