Zum Hauptinhalt springen

Altweibersommer

Tickets
Szenebild von Altweibersommer 1
Szenebild von Altweibersommer 2
Szenebild von Altweibersommer 3
Szenebild von Altweibersommer 4
Szenebild von Altweibersommer 5
Szenebild von Altweibersommer 6
Szenebild von Altweibersommer 7
Szenebild von Altweibersommer 8
Szenebild von Altweibersommer 9
Szenebild von Altweibersommer 10
Ein verregneter Campingplatz in der Steiermark. Astrid, Elli und Isabella, drei ehemalige WG-Bewohnerinnen Ende 40, sitzen in einem abgewrackten Wohnwagen und versuchen an alte Zeiten anzuknüpfen. Doch die Stimmung ist gedrückt: Elli kämpft nach einer Chemotherapie um ihre Selbstbestimmung, die ewige Optimistin Astrid flüchtet sich in zwanghafte Kontrolle und Isabella steckt in einer aussichtslosen Affäre mit einem verheirateten Mann. Ein bizarrer Zufall ermöglicht den Freundinnen einen spontanen Luxusurlaub am Lido. In einem prunkvollen Hotel prallen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander: Isabella trifft ausgerechnet dort ihren verheirateten Geliebten. Die sonst so vernünftige Astrid baut einen Unfall, freundet sich mit einem Strandverkäufer an und bekommt Ärger mit der italienischen Polizei. Und Elli, die nicht nur mit ihrer ungeplant schwangeren Tochter hadert, verschwindet nach einem heftigen Streit.
Mit trockenem Humor und feinem Gespür für die spannungsgeladene Nähe einer brüchig gewordenen langjährigen Freundschaft, erzählt ALTWEIBERSOMMER vom Mut, gemeinsam die gewohnten Muster zu durchbrechen.
Kino Center Husum
Neustadt 114
25813 Husum
Scala Kino Tuttlingen
In Wöhrden 1
78532 Tuttlingen
E-Werk-Kino
Fuchsenwiese 1
91054 Erlangen

Seit Ewigkeiten verbringen Elli (Pia Hierzegger), Astrid (Ursula Strauss) und Isabella (Diana Amft), die mittlerweile alle um die 50 sind, ihren Sommerurlaub gemeinsam auf einem Campingplatz in der Steiermark. Dass sie in diesem Jahr etwas später dran sind, liegt an Elli. Oder an Astrid, die darauf beharrte, gleich nach Ellis „Chemo“ durchzustarten. Wobei Elli säuerlich einwandte, dass „nach der Chemo" eine recht offene Terminierung sei, weil sie sich auch um ihren Umzug und die ungewollt schwangere Tochter kümmern müsse. Für Astrid aber gilt als ausgemacht, dass gerade jetzt eine besondere Achtsamkeit für Elli angesagt ist.

Das alles ist fraglos gut gemeint, als echter Freundschaftsdienst, um aus dem Ausnahmezustand zurück in die Alltagsroutine zu finden, auch wenn ein gemeinsamer Urlaub nur sehr bedingt als „Alltagsroutine" durchgeht. Jetzt sitzt das Trio jedenfalls bei Dauerregen auf dem Campingplatz, der in der Nachsaison viel vom vertrauten Charme verloren hat. Daran ändern auch der grantelnde Vermieter (Josef Hader) sowie der aufdringliche Dauercamper und Verschwörungstheoretiker Chris (Thomas Loibl) nichts, der – „nach der Scheidung" und ausgestattet mit einer ordentlichen Abfindung – mit seinem Deutschen Schäferhund die Freiheit genießt, sein Tier auch mal auf die syrische Campingplatz-Hilfe loszulassen.

Ein Todesfall mit Folgen

Chris lädt die Freundinnen auf ein Bier in seinen Wohnwagen ein, macht sich über die politisch korrekte Astrid lustig – „kein Plastik, kein Alu" – und erkennt in Isabella die Schauspielerin wieder, die sie längst nicht mehr ist. Doch nach dem feuchtfröhlichen Abend macht ein heftiges Gewitter und ein herunterkrachender Ast dem jovialen Reichsbürger den Garaus. Astrid aber hat zuvor etwas in Chris’ Wohnwagen „entdeckt", das dem Ausflug der Freundinnen eine andere Wendung ermöglicht. Jetzt geht es in die Sonne, an den Lido. Auch wenn es in Venedig durchaus kalt sein kann.

Das dramaturgische Konzept dreier Freundinnen auf einem Roadtrip, die ihre in die Jahre gekommene Freundschaft überprüfen und dabei eine Reihe von Prüfungen meistern, ist auf vermintem Gelände irgendwo zwischen „Hangover", Til Schweiger-Machismo und postfeministischem Funkenschlag platziert. Wenn man eine solche Gemengelage etwas weniger extrem und weitgehend ohne ideologische Debatten verhandeln will, wie es Pia Hierzegger bei ihrem Regiedebüt versucht, kann es schnell „fad“ werden. Dazu kommt die etwas zu laute Filmmusik mit New-Wave- und Italo-Pop, die akustisch schon andeutet, dass dem schwungvollen Aufbruch nicht über den Weg zu trauen ist. Zumal die Figuren auf wenige Eigenschaften reduziert sind, was die Dialoge etwas schwerfällig und berechenbar macht und auch keine komplexeren Beziehungen aufkommen lässt.

Unterwegs in Venedig

Grundsätzlich stellt sich dabei die Frage, warum Menschen, die so lange miteinander befreundet sind, so vieles in Worte fassen müssen. Der Film lässt die Figuren deshalb in Venedig bald eigene Wege gehen und dabei individuelle „Lernprozesse" durchlaufen. So wollte Isabella wohl auch deshalb nach Venedig, weil sie ihre aktuelle Affäre dort anzutreffen hofft. Obwohl der Liebhaber ihr gerade erst klar gemacht hat, keine Kinder zu mögen, stößt sie im Restaurant auf ihn – mit Ehefrau und Sohn. Immerhin kann Isabella sich später durchaus selbstbewusst den Avancen eines windigen Gendarmen entziehen, der dem Trio aus der Steiermark nachgereist ist.

Etwas komplizierter liegt der Fall bei Astrid, die offenbar schon immer der Chef des Trios gewesen ist. Auch in ihrer Ehe hat sie das Sagen, wofür sie ihren Ehemann aber insgeheim verachtet. Ihre Herablassung ist mit einem Panzer aus ökologisch wie politisch korrekten Dogmen gepaart, die ihrem freudlosen Dasein Halt geben wollen. Dass ausgerechnet Astrid heimlich in Chris' Eigentum herumwühlt, könnte ein Indiz dafür sein, dass sie ihrer Korrektheit überdrüssig ist. Immerhin verschafft sie dem Trio damit die Mittel, um sich den Ausflug ins Luxushotel nach Venedig überhaupt leisten zu können. Dort ist es dann eine Begegnung mit einem afrikanischen Migranten, der sie aufs Unterhaltsamste aus dem Abseits ihres Lebens lockt, bis rassistische Polizisten dem ein Ende bereiten.

Kochsalz oder Plastik

Die schwierigste Rolle hat sich Pia Hierzegger (von der auch das Drehbuch stammt) als Elli selbst vorbehalten, wobei sie dabei wohl auf die ihr eigene stoische Spielweise vertraute. Ihre Figur muss eine neue Haltung zu sich und ihrem Körper entwickeln, wobei die aufdringlichen Freundinnen mit ihren Ratschlägen eher hinderlich sind. Früh bekennt sich Elli dazu, im Fall des Falles entweder die Freundinnen oder sich selbst umzubringen. In der eindrucksvollsten Szene von „Altweibersommer" kommt dann die Option eines Suizids nochmals unvermittelt ins Spiel. Zugleich ist Elli aber auch eine Mutter, die ihrer schwangeren Tochter zur Seite stehen will, was ihre Zweifel aber nicht produktiver macht.

Wenn Astrid am Ende Elli zu Brustimplantaten mit einer Kochsalzlösung statt Plastik rät, hat der Film seinen Kreis zwischen Drama und einer Alltäglichkeit mit leichtem Hang zum Soft-Morbiden vollendet. Die Figuren haben sich neu positioniert und auch ihre Freundschaft erneuert. Ihnen dabei zuzuschauen, ist allerdings wenig spektakulär – trotz einer atemberaubenden Ödön-von-Horváth-Referenz.

Veröffentlicht auf filmdienst.deAltweibersommerVon: Ulrich Kriest (7.11.2025)
Über filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de