







Vorstellungen










Filmkritik
Das in den Wäldern des Harzes befindliche Sanatorium Barner wirkt schon durch seine Jugendstilarchitektur ein wenig aus der Zeit gefallen. Es gibt dunkle Holzvertäfelungen, ornamentale Laubtapeten und elegant geschwungene Sitzmöbel. Wenn das winterlich kalte Licht durch die Fenster fällt, sehen die wenigen Gäste leichenblass aus. In den verwinkelten Gängen und großzügigen Aufenthaltsräumen ist es ansonsten auffällig leer. Ein wenig unheimlich wirkt die Atmosphäre, und tatsächlich werden auch die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen. Regelmäßig ertönen aus dem Off die Texte der mal mehr, mal weniger prominenten Patienten, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts in dieser auf psychosomatische Störungen spezialisierten Heilstätte untergebracht waren. Unter anderem auch der Maler Paul Klee.
Ein Ort der Rekreation
Zentraler für den Film „Formen moderner Erschöpfung“ ist jedoch die Gegenwart. Langsam und distanziert führt Regisseur Sascha Hilpert in den Betrieb des Sanatoriums ein, um sich geduldig den unterschiedlichen Therapieformen zu widmen: den kundigen Handgriffen der Masseuse, der ruhigen Stimme des Entspannungstrainers und der motivierenden Hartnäckigkeit des Kunsttherapeuten. Die langen Einstellungen ermöglichen es, der Arbeit genau zuzusehen und darüber das jeweilige Handwerk zu schätzen.
Die Ärzte, Therapeuten, Reinigungskräfte sowie eine Historikerin, die gerade die Geschichte des Hauses erforscht, spielen sich gewissermaßen selbst. Dokumentarisch ist der Film aber nur zum Teil. Die Vorgänge sind offensichtlich in Szene gesetzt, und in die Alltagsbeobachtungen mischen sich zwei Schauspieler, die allmählich zu den Hauptfiguren des Films werden: Nina (Birgit Unterweger), die von ihrer zerbrochenen Ehe und dem Arbeitsdruck in einer Werbeagentur stark gezeichnet ist. Und der Sozialarbeiter Henri (Rafael Stachowiak), der mit familiären Traumata ringt und unter Depressionen leidet. Die körperliche Präsenz der beiden könnte unterschiedlicher kaum sein. Während die nervöse Nina scheinbar ständig die Flucht ergreifen will, wirkt Henri ruhig, in sich gekehrt, aber zugleich auch emotionslos.
Ein Flickenteppich voller unterschiedlicher Motive
Trotz den Schauspielern bleibt die Erzählweise gewissermaßen dokumentarisch. Es wird wenig dramatisiert und verdichtet, dafür aber werden umso ausführlicher Prozesse festgehalten. Sobald sich die zunächst parallel verlaufenden Erzählstränge von Nina und Henri kreuzen, nimmt die Fiktion zu. Die beiden freunden sich an und empfinden vielleicht sogar etwas mehr füreinander, doch der Film will diese Bekanntschaft nicht zur Liebesgeschichte zuspitzen, sondern bleibt skizzenhaft und vielgestaltig.
Dokumentarisches und Fiktives verschmelzen dabei nie ganz miteinander, sondern bleiben als Fremdkörper sichtbar. Die realistischen Rahmenbedingungen lassen das Spiel der professionellen Schauspieler manchmal seltsam künstlich wirken. Die angedeutete Geschichte wiederum verläuft durch die undramatisch mäandernde Erzählweise immer wieder im Sand.
Dass die verschiedenen Elemente in „Formen moderner Erschöpfung“ brüchig und unvereinbar sind, ist wohl ein bewusstes Gestaltungsprinzip. Allerdings geht diese Strategie nicht überzeugend auf. Die historischen Texte aus dem Off verweisen zwar auf ähnliche psychische Leiden und die lange Geschichte der Einrichtung; sie bleiben aber erkenntnisarm und stellen nur eine sehr lose Verbindung zur Gegenwart her. Die Probleme der Figuren sind hingegen teilweise Gegenstand der Analyse, bleiben aber lückenhaft und ungreifbar. Statt eine psychologische Fährte weiter zu verfolgen, nimmt der Film lieber eine neue Fährte auf; etwa den Klassenunterschied zwischen Nina und Henri.
Träume, Lieder, Reflexionen
„Formen moderner Erschöpfung“ ist ein Flickenteppich aus Begegnungen, Reflexionen, Träumen und Schubert-Liedern. Seine beharrlich ungeschliffene Form weist dabei in möglichst viele Richtungen, verliert sich aber in Einzelszenen und ist insgesamt wenig aufschlussreich. Was bleibt, sind einige stimmungsvoll gefilmte Momente, die besonnene Arbeit der Therapeuten und ein faszinierend entrückter Schauplatz.
