Filmplakat von I Am the Tigress

I Am the Tigress

80 min | Dokumentarfilm | FSK 16
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Tischa „The Tigress“ Thomas hat ein klares Ziel: Sie will sich den Titel als beste Bodybuilderin der Welt holen. Mit ihrem 17-Zoll-Bizeps und ihren enormen Rückenmuskeln ist sie eine starke und zugleich hochsensible Person, die gegen Selbstzweifel und gesellschaftliche Diskriminierung ankämpft und sich danach sehnt, von anderen um ihrer selbst willen akzeptiert zu werden. Ihren Unterhalt verdient sich Tischa als Domina, ihr wichtigster Partner ist ihr 70-jähriger Mitbewohner Eddie, der sie bei den Wettbewerben unterstützt. Doch als sie den Traum vom Titel verfehlt, bricht für Tischa eine Welt zusammen – und plötzlich stellt sich die Frage: Ist sie bereit ist für ein Leben jenseits der Wettkampfbühnen? Quelle: Filmfestival Max Ophüls Preis / ffmop.de

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Filmkritik

Als junge Frau war Trisha Thomas mal richtig dick, wie sie auf alten Fotos zeigt. 150 Kilogramm habe sie damals auf die Waage gebracht, erklärt sie. Hinsichtlich der Ursachen ihres Übergewichts macht sie nur Andeutungen. Da ist von Mobbing zu Schulzeiten und ein paar unglücklichen Beziehungen die Rede. Irgendwann beschloss die heute 47-jährige dann, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und an sich zu arbeiten. Vor allem körperlich. Sie erlegte sich ein hartes Trainingsprogramm auf, stemmte Eisen in Fitnessstudios und strebte eine Karriere als professionelle Bodybuilderin an. Heute scheint Trisha, die sich den Künstlernamen „The Tigress“ gab, nur noch aus Muskeln zu bestehen. Wofür sie noch immer hart arbeitet. Und sie ist mächtig stolz auf ihren Körper. Auch wenn es mit der glamourösen Karriere nicht so ganz geklappt hat.

Keine Heldengeschichte à la Schwarzenegger

Über mehr als zwei Jahre haben Philipp Fussenegger und sein Co-Regisseur und Kameramann Dino Osmanovic den Alltag von Trisha Thomas begleitet. Und das Leben der Protagonistin wie auch der Film haben so gar nichts von der Heldengeschichte eines Arnold Schwarzenegger, der es vom schmächtigen Jungen aus der Steiermark zum „Mr. Universum“, Schauspieler und Politiker brachte. Man sieht, wie Trisha in ihrem kleinen New Yorker Appartement sitzt, mit ein paar Hautfalten an ihrem straffen Bauch hadert, sich irgendwelche Substanzen spritzt oder ausnahmsweise mal ihre Perücke abnimmt und entspannt einen Joint raucht.

Zwischendurch kommt ihre Tochter mit den Enkelkindern vorbei, und dann muss die Oma auch Geld verdienen. Denn um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, bietet Trisha Online-Sex an, verdingt sich als Erotik-Modell oder arbeitet als Domina. Womit sie kein Problem hat. Das sei doch besser, als es für ein paar Drinks zu tun, sagt sie lapidar. Und dann ist da noch Ed. Ein älterer Mann mit Bart und Basecap, der bei ihr wohnt und sie überallhin begleitet. Was die Beziehung der beiden genau ausmacht, wird nicht ganz klar. Jedenfalls hört er sich ihre Schimpftiraden meist wortlos an und gibt den Tröster, wenn Trisha mal wieder down ist. Und sie ist oft down.

Mit den Muskeln wuchs nicht auch das Selbstbewusstsein

Den Filmemachern gelingt hier ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes, von Sympathie getragenes Porträt einer in all ihren Widersprüchen faszinierenden Frau. Dabei lässt Trisha die Kamera auch in intimen Momenten, in denen es ihr nicht so gut geht, sehr nah an sich heran. Ihr Körper ist schließlich ihr ganzer Stolz. Auch wenn in diesen, oft im Halbdunkel eingefangenen Situationen deutlich wird, dass die Hoffnung, dass mit den Muskeln auch ihr Selbstbewusstsein stetig wachsen würde, sich nicht erfüllt hat. Auch wenn sie selbst das immer wieder bestreitet. Wobei im Hintergrund natürlich die Frage steht, ob sie ihren Fettpanzer von einst nur gegen einen aus Muskeln eingetauscht hat.

In eingeschnittenen, selbst gedrehten, fröhlichen, manchmal auch ein wenig selbstironischen Handy-Videos posiert, tanzt und singt sie und bringt ihre ungebrochene Überzeugung zum Ausdruck, dass man alles aus sich machen könne, wenn man nur wolle. Als harter Kontrast zu ihrer Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung erscheint ein Bodybuilding-Wettbewerb, der in einer tristen Mehrzweckhalle irgendwo im verschneiten Rumänien stattfindet und so gar nichts Glamouröses hat. Außer einer belanglosen Blechplakette gibt es dort für Trisha nichts zu gewinnen.

Ganz bei der leidenschaftlichen Selbstdarstellerin

Die beiden Filmemacher verzichten in ihrem Porträt auf jeglichen Kommentar und setzen ganz auf ihre leidenschaftliche Selbstdarstellerin. Ergänzt werden die vielfach intimen Einstellungen lediglich durch eine minimalistische Musik, deren oft dissonante Klänge wie eine Entsprechung zum widersprüchlichen (Gefühls-)Leben der Protagonistin erscheinen. Dazu passt eine Montage, die souverän Momente der Tristesse und Ausbrüche von Stolz und Lebensfreude verbindet. Und zwischendurch wartet der Film auch mit einfach nur komischen Miniaturen auf. Etwa wenn Trisha einen schweren Koffer eine Treppe hochwuchtet und sich dabei am Handlauf festhält, das Geländer ihren unbändigen Kräften aber nicht standhält.

Erschienen auf filmdienst.deI Am the TigressVon: Reinhard Lüke (13.4.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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