









Vorstellungen










Filmkritik
Einige frühere Freundinnen besuchen Nadine (Jennifer Sabel) im Hospiz. Bemüht versuchen sie, eine lockere und ausgelassene Stimmung zu erzeugen. Wie sehr dabei der Anlass ihres Besuches verdrängt wird, zeigt sich, als jemand beim Gruppen-Selfie unvermittelt „Gute Besserung“ ruft. Natürlich wird Nadine nie wieder gesund werden, sondern wegen ihrer unheilbaren Brustkrebserkrankung sehr bald sterben. Dieses Bewusstsein dringt erst wieder in das vermeintlich nette Zusammensein, als eine der Frauen unkontrolliert in Tränen ausbricht.
Wer mitten im Leben steht, möchte dem Tod und damit auch der eigenen Vergänglichkeit lieber nicht zu nahekommen. Das muss Nadine in ihrem Bekanntenkreis am eigenen Leib erfahren. Besonders schmerzhaft ist für sie die Abwesenheit ihres jungen Sohnes, der sie meidet, weil ihm der körperliche Verfall seiner Mutter Angst macht. Je verzweifelter sie ihn anfleht, zu kommen, desto geringer die Chance, dass er auftaucht.
Die letzte Station
Die letzte Nacht in ihrer Wohnung verbringt Nadine allein und in fast völliger Dunkelheit. Lediglich das bunte Licht einer Lampe zaubert ein mildes Lächeln in ihr Gesicht. Ein Moment, der ihre Isolation deutlich macht, denn die Sphäre der Lebenden hat Nadine gewissermaßen schon verlassen. Blass, geschwächt und mit raspelkurzen Haaren von der Chemotherapie erreicht sie am nächsten Tag ihre letzte Station. Das lichtdurchflutete, von weiten Wäldern und Feldern umgebene Hospiz in Mecklenburg-Vorpommern ist ein seltsam entrückter Ort, irgendwo zwischen Diesseits und Jenseits. Niemand weiß, wann die Bewohner wirklich sterben werden. Einige reden sich sogar beharrlich ein, dass alles wieder gut wird.
Nadine will ihren Schmerz jedoch nicht mit Lügen lindern. Das macht es für sie selbst, aber auch für ihr Umfeld nicht immer einfach. Sobald ihr Gegenüber im Hospiz ihren ungeheuerlichen Tod wie etwas Alltägliches oder gar Akzeptables behandelt, wird sie von Wut übermannt. Ihre Beleidigungen können jeden treffen; von der Mutter bis zur Pflegerin. Erst mit der Zeit beginnt Nadine zu verstehen, dass sie im Hospiz zwar mit sich allein bleibt, kurze Gespräche oder Albereien mit Leidensgenossen aber für einen Augenblick durchaus Trost spenden können. Im Aufenthaltsraum liest man sich Horoskope vor, feiert Weihnachten im April oder übt sich in Galgenhumor, während die Pflegerinnen versuchen, stets den richtigen Ton zu treffen, manchmal aber auch machtlos sind.
Der Schauspieler Benjamin Kramme verklärt in seinem Regiedebüt „Ich sterbe. Kommst du?“ das frühere Leben der Protagonistin nicht zu einer sorgenfreien Zeit, die durch die Krankheit jäh beendet wird. Nadine stammt aus einer zerstrittenen Familie, die durch den Krebs noch dysfunktionaler geworden ist. Ihre Mutter verachtet sie ebenso wie den Vater ihres Kindes. Bei einem Treffen faucht er ihr „Hoffentlich machts du’s nicht mehr lange“ zu. Zu sterben bedeutet für Nadine auch zunehmend, sich halbwegs mit den Trümmern ihres Lebens zu versöhnen. Die Inszenierung hellt die betrüblich-fatalistische Stimmung immer wieder durch Humor und Wärme auf. Eine gemeinsame Zigarette oder ein aufrichtiges Kompliment des Ex-Freundes wirken da Wunder.
Wechselbad der Gefühle
Der Film versucht dennoch, Sentimentalität weitgehend zu vermeiden. Es gibt nichts, was Nadine das Leben retten kann, und ihr Tod wird auch kein friedliches Einschlafen sein, sondern ein langsamer, nervenzehrender Prozess. Hauptdarstellerin und Co-Drehbuchautorin Jennifer Sabel verkörpert bravourös die wechselseitigen Gefühle ihrer Figur: die Feindseligkeit, Angst und Ohnmacht, aber immer auch wieder die Reste an Lebensfreude, die aufschimmern. Der Blick des Regisseurs auf die todgeweihten Figuren und die Institution, die sie auffängt, wirkt authentisch und vielschichtig – auch dank der Ästhetik, die etwas rau und schnörkellos ist. Der Film versucht weniger eine Geschichte zu erzählen, als einen Zustand zu beschreiben. Gelegentlich wirkt die Handlung deshalb etwas ungeordnet und spontan sowie öfters auf Einzelmomente konzentriert. Das alles passt aber gut zur Parallelwelt eines Hospizes, in dem eine andere Zeitrechnung herrscht und alles unbestimmt ist.
