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Kill the Jockey

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Remo (Nahuel Pérez Biscayart) war einst ein gefeierter Jockey. Doch sein exzessiver Lebensstil und Schulden bei der Mafia drohen sowohl seine Karriere als auch die Beziehung zu seiner Freundin Abril (Úrsula Corberó) zu zerstören. Am großen Tag seines geplanten Comebacks verliert er nach einem schweren Sturz nicht nur das Rennen, sondern auch sein Gedächtnis. Befreit von seiner Vergangenheit, aber mit jeder Menge Stil, irrt er durch die bunten Straßen von Buenos Aires und entwickelt eine neue Identität: Aus Remo wird Dolores. Gangsterboss Sirena ist das jedoch herzlich egal, denn ihn interessiert vor allem sein Geld. Und so setzt seine skurrile Bande alles daran, ihn aufzuspüren. Eine kuriose Verfolgungsjagd nimmt ihren Lauf …
Regisseur Luis Ortega (DER SCHWARZE ENGEL, produziert von Pedro Almodóvar) inszeniert einen surrealen Mix aus Mafia-Thriller und absurder Tragikomödie – irgendwo zwischen Wes Andersons akribischer Ästhetik und Giorgios Lanthimos’ schrägem Existenzialismus. Mit der unverkennbaren Bildsprache von Kaurismäkis Stamm-Kameramann Timo Salminen, den brillanten Performances von Nahuel Pérez Biscayart (PERSISCHSTUNDEN, 120 BPM) und Úrsula Corberó (HAUS DES GELDES, THE DAY OF THE JACKAL) sowie seinem einzigartigen Stil und Humor ist KILL THE JOCKEY eine extravagante Ode an den Neuanfang.
  • Veröffentlichung18.09.2025
  • Luis Ortega
  • Spanien (2024)
  • 96 Minuten
  • DramaKomödieKrimi
  • FSK 12
  • 6.4/10 (2124) Stimmen
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In einem Café in Buenos Aires sitzen kaputte Männer. Eine junge Frau bringt ihnen den Kaffee und passt ein wenig auf sie auf. Dort hält sich auch Remo Manfredini (Nahuel Pérez Biscayart) auf, die Hauptfigur von „Kill the Jockey“. Bei ihm sind es allerdings die Drogen, die ihn lähmen, nicht körperliche Beeinträchtigungen. Remo wird von zwei Schlägern von seinem Stuhl geholt; er hat einen Job zu erledigen, schließlich ist er Jockey. Er war mal einer der Besten, auch wenn davon nicht mehr viel übrig ist. Jetzt reitet er für den Kriminellen Sirena (Daniel Giménez Cacho), der Siege sehen will. Dagegen kann Remo sich nicht wehren. Er gehört dem Mann, in dessen Händen die Macht in der Stadt liegt.

Was sich in der Beschreibung wie eine kohärente und nachvollziehbare Geschichte anhört, ist jedoch alles andere als simpel. Obwohl „Kill the Jockey“ an Genres wie Sportfilm oder Thriller andockt, sind dies nur kurze Hinweise auf eine Struktur, die immerzu von Schlenkern ins Surreale ausgehebelt wird. Diese sind wild und sonderbar und in ihrer visuellen Exzentrik atemberaubend; mit ihrer Mischung aus Experiment, Humor und einem interessierten Blick auf geschlechtliche Auflösung sorgen sie für eine Neugier, der man sich nicht entziehen kann.

Mit choreografischer Eleganz

Es gibt umwerfende Disco-Darbietungen, wenn Remo und seine Freundin Abril (Úrsula Corberó), die ebenfalls ein Jockey ist, sich gemeinsam durch einen Saal mit blinden Spiegeln bewegen; es ist eine Pracht, beide konzentriert im Zusammenspiel wie in der Selbstdarstellung zu sehen. Ähnlich kunstvoll zelebriert der argentinische Regisseur Luis Ortega das choreografische Potenzial einer Umkleidekabine, das jede Idee einer Garderobennutzung im Schul- oder Sportfilm in den Schatten stellt. Ortega verwandelt das Be- und Entkleiden, die Kostümierung der Jockeys, sowie ihre Aufwärmübungen für den Wettkampf in pures Tanztheater, tief unterhalb der Pferderennbahn von Buenos Aires.

Die Rennen und der Alltag von Remo sind eine Abfolge von Katastrophen, die meistens Drogen oder dem Alkohol geschuldet sind. Es könnte aber auch gut sein, dass dahinter ein Gedanke der Auflehnung steckt. Remo ist schon lange nicht mehr glücklich mit seiner Existenz; die Exzentrik des Films flirtet dezidiert mit dem Widerstand gegen herrschende Verhältnisse. Man ahnt diesen Hintergedanken, während man Nahuel Pérez Biscayart gebannt beim Straucheln zusieht.

Ein verwunschener Zustand

Nach einem seiner Reitunfälle landet er mit einer Kopfverletzung im Krankenhaus, ohne Erinnerung und mit nur wenig Zukunftsaussichten. Sirena hat genug von seinen Eskapaden, Abril ist schwanger von ihm, doch der Jockey hat all dies aus seinem Gedächtnis gestrichen. Mit einem turmartigen Verband um den Kopf verlässt er für den langen, betörenden Mittelteil des Films in geklautem Pelzmantel und schönster Selbstvergessenheit die Klinik. Er wandert allein durch die Stadt, eine groteske Erscheinung mit leeren Augen, die immer wieder anhält, um aus den Ritzen des Pflasters eine Münze aufzuheben, eine Spielkarte oder einen Schuh, und wirkt dabei wie eine Gestalt aus historischen Dokumentationen über Besessene.

Dieser verwunschene Zustand dauert aber nicht an. Remo findet zu sich zurück, wenn auch nur für kurze Zeit. Dann werden alle bisherigen Gewissheiten aufgehoben, und „Kill the Jockey“ bricht zu neuen Ufern auf. Es beginnt eine Phase der Transformation. Der Film wird artifizieller, die Ausflüge ins Genre enden, die Inszenierung geht fortan den Möglichkeiten der Selbstfindung nach. Aus Remo wird Lola, oder auch Dolores, ein Häftling im Knast, ein Vater und erneut ein Jockey auf der Rennbahn. Die Form fließt, als würden alle Wünsche Remos wahr. Endlich sieht man ihn reiten, im Wettbewerb mit absurden Gegnern, Pferd gegen Maschine, Pferd gegen Großkatze.

Pathos & Revolte

Was die Geschichte dennoch herausstellt, ist die Unmöglichkeit der Flucht. Es mag eine Befreiung geben, aber nur für kurze Zeit. Dann fängt das System jeden, der nicht auf der richtigen Seite steht, wieder für seine ausbeuterischen Zwecke ein. Am Ende hat „Kill the Jockey“ alle wesentlichen Zustände eines Lebens berührt, den Gehorsam, die Revolte, die Verwirrung, die Verwandlung. Ortega schreckt dabei nicht vor Pathos zurück, was auf der Leinwand gut anzusehen ist und nach dem Ende des Films wie ein Geschenk übrig bleibt. Denn für eine kurze Weile hat man in der Realität das Sonderbare entdeckt, das absurde Spektakel, das in jeder Banalität zu stecken scheint.

Veröffentlicht auf filmdienst.deKill the JockeyVon: Doris Kuhn (24.9.2025)
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