Filmplakat von Kommt ein Vogel geflogen

Kommt ein Vogel geflogen

105 min | Drama, Komödie | FSK 0
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Ein NS-Parolen plappernder Papagei stürzt die Familie der Tierheimleiterin Birgit Singer in eine Zerreißprobe zwischen Political Correctness, Tierliebe und deutscher Lebenswirklichkeit. Als die Versöhnung mit den jüdischen Schwiegereltern misslingt, Birgit ins Kreuzfeuer der Medien gerät und durch den Vogel sowohl ihren Job als auch noch das Vertrauen ihrer Tochter verliert, platzt ihr der Kragen.

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Filmkritik

Kann ein Vogel eine falsche Gesinnung haben? Darf ein Mensch reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist? Kommt es bei beiden nur auf die inneren Werte an, oder muss alles Gesagte stets als bare Münze auf die Goldwaage gelegt werden? Der deutsche Regisseur Christian Werner nimmt sich einige wunde Punkte im vergifteten sozialen Miteinander vor. Dass wir womöglich alle einen Vogel haben, bricht er auf eine Fabel herunter. Ein Papagei steht vor Gericht. Weil er neben „Die Frisur sitzt“, „Raider heißt jetzt Twix“ auch „SA marschiert“, „Heil Hitler“ und „Rotfront verrecke“ krächzt. Deshalb gilt der Vogel juristisch als verbotener Tonträger und darf nicht vermittelt werden. Für das, was er sagt, kann das Tier natürlich nichts, schließlich ist es ja nicht so vernunftbegabt wie sein verstorbener Besitzer, der ihm dies offenbar bewusst beigebracht hat.

Birgit (Britta Hammelstein), engagierte Leiterin eines Tierheims, nimmt den Papagei also vorerst bei sich zuhause auf. Doch das rechte Parolen plappernde Tier löst einen Skandal aus, der vor dem Gericht endet und mit einer Verurteilung: Das Tier soll operativ seiner Stimme beraubt werden. Ein drohender Kastrationsakt an der Demokratie, im übertragenen Sinne.

Das Richtige sagen, korrekt sprechen, Recht sprechen: Um diese drei zivilisatorischen Errungenschaften kreist der etwas struppige Film-Wolpertinger aus Gesellschaftssatire und tragikomischem Familiendrama. Im Zentrum aller Wirrnisse, flankiert von leicht wackeligen Landschaftsaufnahmen aus einem provinziellen Deutschland im Herbst, steht die zunehmend derangiert wirkende Tierheim-Chefin. Die will alles richtig machen, verschlimmert dadurch aber alles nur noch mehr. Beruflich steht Birgit unter Druck: Ein Lokalpolitiker will das Tierheim schließen und dort ein Spa errichten lassen. Vor der Bürgermeisterwahl versuchen obendrein alle Parteien, die Geschehnisse im kleinen Ort für sich zu instrumentalisieren, sei es die vegane links-ökologische Erzieherin oder die rechte Alice-Weidel-Wiedergängerin mit Hang zum Deutschen Schäferhund.

Eins zum anderen

Auch über Birgits Privatleben erfährt man eine ganze Menge. Ehemann Nathan (Hans Löw) gibt vor, an der goldenen Zukunft der Familie zu arbeiten, lässt sich aber in Wahrheit als ewiger Bummel-Doktorand von seiner überarbeiteten Frau durchfüttern. Die kleine Tochter Sarah (Pola Friedrichs) stottert, weshalb das Jugendamt den Besuch einer Sonderschule nahelegt. Und just, als Birgit den Nazi-Papagei zu sich holt, kündigen die jüdischen Schwiegereltern (Michael Wittenborn, Ulrike Krumbiegel) einen spontanen Besuch an.

Manche Erzählstränge und Situationen wirken bisweilen wie fehlerhaft aneinandergepappt, weshalb die Dramaturgie ein wenig holpert. Ein paar altbackene Figurenklischees wie der ranzige Lokaljournalist oder der staatstragende Amtsveterinär rücken den Film bisweilen in die Nähe eines Mumblecore-Kasperltheaters mit Klezmer-Einsprengseln. Doch es hat echten Charme, wie der Film das alltägliche Gebaren der Menschen meist nur ganz gelinde übertreibt und dabei flugs zur Groteske findet. Dass ein geschmeidiger Tierheim-Mitarbeiter zunächst vernünftig fürs unschuldige Tier argumentiert, sich dann aber als Nazi entpuppt, während Birgits jüdischer Schwiegervater das identitär vor sich hergetragene Jüdischsein seiner konvertierten Gattin immer wieder ironisch kommentiert, lässt keine Seite gut dastehen.

In schönster Eindeutigkeit

Perfekt sitzende One-Liner bewahren außerdem die Geschichte um die Sprachprobleme des Töchterchens Sarah vor allzu großer Rührseligkeit. Nicht einmal dann, wenn die Ameisenfreundin immer wieder klarzustellen versucht, dass alle Tiere „lie-, lie-, lie - benswert“ seien, egal, was die anderen sagen. Und gerade, als man denkt, der Film mache es sich mit seiner Gesellschaftsallegorie allzu einfach und lasse jedem politischen Tierchen sein Pläsierchen, nimmt der Vogel Sarahs Stotterei „ka-ka“ (sie versucht, „Kakao“ zu sagen) in schönster materieller Eindeutigkeit beim Wort und platziert es mitten aufs Nazi-Plakat.

Erschienen auf filmdienst.deKommt ein Vogel geflogenVon: Cosima Lutz (19.11.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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