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Mädchen können kein Fußball spielen

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Szenebild von Mädchen können kein Fußball spielen 1
Der Film erzählt die Geschichte um den Kampf für eine Fußball-Nationalmannschaft in BRD und DDR. Er erzählt von der vergessenen Lebensleistung der deutschen Fußballpionierinnen und vom Kampf für ihren Platz „aufm Platz“. Ein Kampf voll unglaublicher, nahezu absurd anmutender Wendungen und Geschichten, die sehr viel über männliche Heldenbilder und klischierte Frauenbilder in Ost und West verraten.

Leider gibt es keine Kinos.

Die ersten vier Buchstaben des Sammelsubstantivs „Mannschaft“ deuten auf eine maskuline Schar Sporttreibender hin. Klingt logisch, ist logisch, wird von Reportern, die selbst weibliche Teams beharrlich Mannschaft nennen, allerdings auch im emanzipierten Jahr 2025 gern ignoriert. „Setzen, sechs!“, möchte mensch da rufen. Oder an Bärbel Wohlleben verweisen.

„Es gab ja kaum eine Frauschaft, gegen die wir spielen konnten“, erinnert sich die Pionierin an eine Zeit, als ihr verboten war, was sie liebte: Fußball. Mehr als ein halbes Jahrhundert später blickt sie zwar gelassen auf die Anfänge ihrer aktiven Laufbahn. Aber wie die 81-jährige Wohlleben statt Mannschaft selbstverständlich Frauschaft sagt und ausgelassen lacht: Das zeigt, welchen Kampf sie ihr halbes Leben lang ausgefochten hat. Und wer könnte ihn besser dokumentieren als Torsten Körner.

Fünf Jahre nach seinem preisgekrönten Porträt „Die Unbeugsamen“ (2020) über renitente Politikerinnen im Bonner Männerzirkus und vier Jahre nach dem noch viel öfter prämierten Porträt „Schwarze Adler“ (2021) über schwarze Fußballer in der Bundesliga widmet sich der Filmemacher nun Fußballerinnen, die keine Fußballerinnen sein durften. 1955 untersagte der DFB nämlich den Frauen - auch damals schon 50 Prozent der Bevölkerung - die schönste Nebensache der Welt.

Unvollendete Selbstermächtigung

„Im Kampf um den Ball verschwindet weibliche Anmut“, lautete die lächerliche Begründung machtvoller Machos. „Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Im Geist des Nationalsozialismus – der spätere Bundestrainer Sepp Herberger war vor 1945 Reichstrainer und NSDAP-Mitglied – verfügten die Herren einfach weiter über weibliche Körper und Seelen. Also auch über die von Bärbel Wohlleben und einer Riege Gleichgesinnter, die Körner ausfindig gemacht hat.

Unter dem provokanten Titel „Mädchen können kein Fußball spielen“, erzählen sie 90 Minuten lang von einer Selbstermächtigung, die im Frauensport noch längst nicht vor ihrer Vollendung steht. Für einen Sieg bei der Qualifikation zur „Two Nights Tour“ (dem abgespeckten Pendant der Vierschanzentournee für Männer) erhielten Skispringerinnen zuletzt etwa ein Handtuch als Prämie – vom Wert her also noch weniger als das Porzellanservice, mit dem der DFB seine Fußballeuropameisterinnen 1989 entlohnte. „Ich hatte schon jede Menge Leute zu Hause, die wollten es mal sehen“, sagt die damalige Torhüterin Marion Isbert. Also servierte sie darin Kaffee. „Und dann war es auch wieder gut.“ Klingt locker, leicht, arglos. Doch die Augen der 61-jährigen Isbert verraten, dass der Aufbruch, der ein Ausbruch war, Narben hinterlassen hat.

Was waren das auch für Zeiten, die Körner hier Revue passieren lässt. Kurz, bevor der DFB den Frauen das organisierte Kicken verbot, unterstellte ihnen Sepp Herberger höchstpersönlich, dass die Frauen mangels Kampfkraft nie die Leistungen erreichen würden, die man erwartete. Damit setzte der mittlerweile als WM-Siegertrainer von 1954 Heldenstatus genießende Bundestrainer den Tonfall einer ganzen Generation misogyner Männer.

Übermenschliche Resilienz

So schwer dieses reaktionäre, oft feixende Herabwürdigen weiblicher Fußball- und Lebenskompetenz auch zu ertragen ist, hebt es doch die schier übermenschliche Resilienz der Betroffenen im Windmühleneinsatz hervor. Anne Trabant zum Beispiel, Spielertrainerin des frühen Serienmeisters Bergisch-Gladbach, die in Herbergers frauenfeindlicher Epoche „wie alle Jungs“ nach der Schule den „Ranzen in die Ecke“ warf, „raus Kicken“ ging und trotz männlicher Besitzstandswahrung zur Fußballerin wurde, die geschlechterübergreifend Respekt erlangte.

Dabei machten ihr die Männer auch nach der hart erkämpften „Legalisierung“ des DFB-Frauenfußballs 1970 das Leben schwer. Die Spielzeit belief sich vorerst auf zweimal 20 Minuten, der Ball war leichter und kleiner als bei den Männern. „Wie so’n Luftballon“, echauffiert sich die spätere DFB-Funktionärin Hannelore Ratzeburg und zählt weitere Absurditäten auf: „Wir sollten nur bei schönem Wetter spielen, möglichst auf Naturrasen. Stollenschuhe waren nicht erlaubt“. Und als sie hinzufügt, „Eigentlich hätten nur noch kleinere Tore gefehlt“, blendet Körner einen Sportmediziner mit Netzer-Koteletten ein, der - genau: kleinere Tore empfahl.

Männer nur als Archivmaterial

Der Osten, den DDR-Spielerinnen wie Heidi Vater und Doreen Meier vom Vorzeigeclub FC Carl Zeiss Jena schildern, war zwar ein wenig weiter als der Westen, aber keineswegs progressiv. Dafür fehlte das Renommee einer Sportart, für die es bis 1984 keine internationalen Titel, geschweige denn Olympiamedaillen gab. Doch so beständig die männliche Ignoranz jener Tage beiderseits der Mauer auch war: Körner schneidet sie ohne jeden Anflug von Groll, gar Furor gegen die weiblichen Abwehrkräfte.

Es grenzt zwar ebenso an Ignoranz, dass der Filmemacher seine Bilder wie so viele Kollegen ausgerechnet mit Artikeln der frauenverachtenden „Bild“-Zeitung garniert. Ansonsten aber konzentriert er sich ganz auf die Fußballerinnen. Männer kommen daher nur per Archivmaterial zu Wort – und selten allzu schmeichelhaft. Für die schweigende Mehrheit gedemütigter, diskriminierter, ausgegrenzter Frauen stellt Körner allenfalls leere Stühle hinter seine Interviewpartnerinnen. Das war's dann auch an schmückendem Beiwerk in einem Dokumentarfilm, der passend zur gerade begonnenen Europameisterschaft 2025 in der Schweiz Aufsehen erregt. Wenngleich nicht annähernd so viel wie der steinige Weg zum Frauschaftssport.

Veröffentlicht auf filmdienst.deMädchen können kein Fußball spielenVon: Jan Freitag (4.7.2025)
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