









- Veröffentlichung30.10.2025
- RegieStefanie Kolk
- ProduktionNiederlande (2023)
- Dauer96 Minuten
- GenreDrama
- Cast
- IMDb Rating7.3/10 (45) Stimmen
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Das lange ersehnte und bislang einzige Kind ist schon vor der Geburt gestorben. Die Brüste seiner Mutter produzieren aber gleichwohl Milch, viel Milch. Eine Hebamme leitet die junge Frau an, wie sie die Flüssigkeit abpumpen kann. Damit aber fangen die Probleme erst richtig an, da es der Trauernden widerstrebt, die kostbare Nahrung einfach wegzuschütten. Weil Robin (Frieda Barnhard) aber schon binnen kurzer Zeit so viele Fläschchen zusammen hat, dass sich die Muttermilch in einer Kühltruhe kaum mehr unterbringen lässt, will sie diese an bedürftige Babys spenden. Wenn das nur so einfach wäre.
Eine letzte Verbindung zum toten Kind
An Literatur über die Bedeutsamkeit des Stillens von Neugeborenen mangelt es nicht; sie füllt ganze Regale. Über die hohen Hürden, die es zu überwinden gilt, um sie wie im Falle von Robin für andere sinnvoll zu nutzen, wurde bislang wenig geschrieben. Insofern hat die niederländische Regisseurin Stefanie Kolk ein dankbares Thema aufgegriffen, das vielleicht auch deshalb wenig reflektiert wurde, weil in der Realität vielfach Medikamente zum Einsatz kommen, die die Milchproduktion hemmen.
Aber so feinfühlig, wie Kolk diese Geschichte erzählt, vermittelt sich unaufdringlich, dass ihre Protagonistin die Milch in ihrer Brust keineswegs als etwas Lästiges empfindet, das es zu beseitigen gelte; vielmehr ist sie das Letzte, was ihr in ihrer Verbindung zu dem toten Kind geblieben ist. Deshalb unternimmt sie alles, um die Muttermilch zu konservieren.
Dafür braucht es nicht viele Worte. Aus jeder noch so kleinen Beobachtung lässt sich herauslesen, was Robin denkt und fühlt. Wenn sie eines der Milchfläschchen an ihre Wange drückt, umfängt die überwiegend nüchternen, farblosen Bilder einsamer Waldlandschaften und steriler Räume ein Hauch von Zärtlichkeit. Und als die Trauernde auf einem Tisch eines der Fläschchen ins Rollen bringt und gespannt darauf wartet, ob es an der Kante zum Halten kommt und sich womöglich kraft ihrer Gedanken zu ihr zurückbewegt, ahnt man, dass ihr das Buch über einen Telekinetiker, in das sie sich während des Abpumpens vertieft, durchaus ein wenig Trost spendet.
Eine leise, intime Erzählung
Die Idee, ihre Milch zu spenden, bei der sie ihr Mann Jonas (Aleksej Ovsiannikov) unterstützt, scheitert allerdings an den strengen Bestimmungen der öffentlichen Milchbanken. Diese weisen Robin zurück, weil sie früher einmal an einer Lues-Infektion erkrankt war. Wenn sie das bei der medizinischen Voruntersuchung nicht gesagt hätte, wäre das wohl niemandem aufgefallen. Der Ehrliche ist hier der Dumme. So jedenfalls stellt sich die Situation für Robin dar, die sich damit aber nicht abfinden will. Sie verfolgt ihren Plan beharrlich weiter und tritt über eine Online-Plattform in direkten Kontakt mit bedürftigen Müttern.
Die dokumentarische Sachlichkeit der leisen, intimen Erzählung harmoniert mit dem von Schmerz und Enttäuschungen ausgezehrten Seelenleben der Protagonistin. Geredet wird in „Milch“ selten und dann auch nur sehr wenig. Auch Filmmusik wird nur sparsam, dann aber umso gezielter eingesetzt, etwa in einer Szene, in der das Paar seine Trauer mit Leidensgefährten in aller Stille teilt, untermalt von Johann Sebastians Bachs melancholischem "Air" aus der 3. Orchestersuite.
Vom Paar zur Protagonistin
Der filmische Fokus verlagert sich zunehmend weg vom Paar auf die Protagonistin, die in Ermangelung ihrer unerfüllt gebliebenen Mutterrolle nach Beschäftigungen sucht, während ihr Mann in seiner Arbeit mehr Ablenkung findet. Allerdings wirkt die unaufgeregte Erzählung mit ihren teils sehr langen Einstellungen bisweilen sehr ereignislos. Wiederholt schildert „Milch“, wie Robin mit einer Wandergruppe schweigend durch den Wald zieht und in der Pause eine Stulle auspackt. Dagegen ist kaum zu erfahren, ob und wie sich die Situation auf die Beziehung auswirkt, insbesondere auf das Sexualleben des Paares. Schließlich rückt das Abpumpen als festes Ritual zunehmend ins Zentrum der Zweisamkeit; der permanente Einsatz der Milchpumpe mitsamt ihren mechanisch-monotonen Geräuschen, die den Rhythmus des dezenten Sounddesigns vorgeben, wirkt sexuell nicht gerade stimulierend.
„Milch“ ist dennoch ein achtbares Filmdebüt, weil es dicht an den Figuren bleibt und von vielsagenden Blicken und Gesten lebt, die sich zu einer sublimen, auch etwas spröde Studie verdichten.
