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Filmplakat von Memoiren einer Schnecke

Memoiren einer Schnecke

94 min | Drama, Komödie, Animation | FSK 12
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Nach einer Reihe von Missgeschicken lernt eine melancholische Außenseiterin, die Schnecken sammelt, Vertrauen in sich selbst zu finden und den Silberstreif in der Unordnung des täglichen Lebens zu entdecken.

Vorstellungen

Passage Kinos Leipzig
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Hainstraße 19a
04109 Leipzig
Hackesche Höfe Kino Berlin
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Rosenthaler Straße 40/41/Hof 1
10178 Berlin
Odeon Kino Bamberg
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96052 Bamberg
Cinema Wuppertal
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Moviemento Kino Berlin
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Lichtspiel Kino Bamberg
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Filmkritik

Bereits im Vorspann von „Memoiren einer Schnecke“ offenbart sich das titelgebende Motiv: In Anlehnung an das ikonische Finale von „Citizen Kane“ gleitet die Kamera durch ein Sammelsurium von Besitztümern – eine Flut aus Schneckenfiguren, Bilderrahmen und allerlei Kuriositäten. Gegenstände, die den Staub von Jahrzehnten atmen. Materielle Erinnerungen an ein Leben, die das Individuum geformt haben. Statt den berühmten „Rosebud“-Schrei aus dem Klassiker von Orson Welles hört man eine alte Frau namens Pinky mit ihrem letzten Atemzug rufen: „Potatoe!“ (zu Deutsch: Kartoffel!). In der Sekunde ihres Todes wird ihre Hand von Grace Pudel gehalten.

Viele Jahre zuvor, im Australien der 1970er-Jahre, wächst Grace zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Gilpert in ärmlichen Verhältnissen auf. Als das Geschwisterpaar geboren wurde, starb ihre Mutter bei der Entbindung. Großgezogen werden sie von ihrem französischen Vater Percy, einem ehemaligen Straßenartisten, der durch einen Autounfall an den Rollstuhl gebunden ist und seine Karriere als Performer aufgeben musste.

Auch wenn die kleine Familie mit wenig auskommen muss, wirkt ihr Leben erfüllt. Zwar wird Grace von ihren Mitschülern gemobbt, doch ihr tapferer Bruder stellt sich den Bullys stets in den Weg. Gemeinsam genießen sie es, auf dem Sofa zu lesen oder mit ihrem Vater den „Luna Park“ zu besuchen. Während Gilpert von einer Karriere als Zauberkünstler träumt und immer riskantere Tricks mit Feuer ausübt, interessiert sich Grace für Stop-Motion-Filme und, wie einst ihre tote Mutter, für Schnecken. Diese trägt sie nicht nur in Form einer Mütze auf dem Kopf, sondern hängt sich die Weichtiere in jeglicher Variante an die Wand; außerdem zieht sie eine lebende Schnecke namens Sylvia auf.

Schließlich tritt das ein, wovor die Zwillinge sich am meisten gefürchtet haben: Ihr Vater stirbt eines Tages an einer Schlafapnoe, und die Geschwister werden als Vollwaisen zu unterschiedlichen Adoptiveltern gebracht. Gilpert muss sich mit einer fanatisch-religiösen Großfamilie herumschlagen, Grace vereinsamt sukzessive bei einem kinderlosen Swinger-Pärchen in Canberra.

Schnecke bleibt Schnecke

Der Animationskünstler Adam Elliot entwickelt sein narratives Markenzeichen in „Memoiren einer Schnecke“, für den er mehr als fünf Jahre zur Fertigstellung brauchte, konsequent weiter. Der australische Filmemacher vermag es, fiktive Biografien durch ein eigenwilliges Stop-Motion-Format kompakt zu erzählen und mit kreativen Ideen anzureichern. Schon in seinen Kurzfilmen „Uncle“, „Cousin“ und „Brother“ wählte er dieses erzählerische Element, indem er seine schrulligen Figuren durch bizarre Situationen manövrierte und auf ulkige Personen treffen ließ.

Familiäre Tragödien und daraus resultierende Chancen für Freundschaften ziehen sich durch Elliots Animationsfilme. Bei „Memoiren einer Schnecke“ tritt die fast blinde Pinky in Graces Leben und schenkt ihr neuen Mut. Der Greisin widmet Adam Elliot eine eigene erzählerische Retrospektive, quasi einen Film im Film, in dem man sie als Stripperin auftreten oder ihren Gatten Bill durch einen grotesken Unfall sterben sieht. Dabei erinnert diese ungleich wirkende Freundschaft an die titelgebenden Protagonisten aus „Mary & Max“, wobei Graces Heranwachsen ganz ähnlich wie Marys schicksalhafte Kindheit verläuft.

Denn auch hier macht Elliott vor keinem Thema Halt; die Figuren werden bei ihm nie geschont. Es geht um Depressionen, Ängste, Krankheiten, Traumata und Tod. Während Gilpert bei der bigotten Bauernfamilie körperlich wie seelisch drangsaliert wird, verliert sich Grace immer mehr in ihrer immens wachsenden Schneckensammlung. Der metaphorische Panzer, den sie sich im schulischen Alltag zugelegt hat, wird zum realen Rückzugsort. Das gemütlich eingerichtete Zuhause, das als Ort der Familie in Erinnerung geblieben ist, entwickelt sich simultan zum eigens erschaffenen Gefängnis.

Harter Tobak aus Knete

Bei all diesen komplexen, tragischen und zugleich allgegenwärtigen Themen schafft der Film es, sich über keinen Aspekt lustig zu machen – trotz des ungefilterten Galgenhumors, der sich nie scheut, in moralische Abgründe zu blicken. Sei es die Hybris von religiösen Gemeinschaften, die sich kapitalistischer Mechanismen bedienen, oder die versteckten sexuellen Vorlieben von scheinheiligen Spießbürgern. Obwohl „Memoiren einer Schnecke“ das alles durch niemals enden wollende Schicksalsschläge schleift und das Leben als Gag-Ansammlung fragmentiert, werden die Geschichten, Gedanken und Gefühle der aus Plastilin bestehenden Figuren ernst genommen.

Gerade die Übertragung existenzieller Tragödien auf die grotesken Knet-Körper offenbart die eigentliche Ironie des Films. Elliots Handschrift wirkt düster und trist – die Gesichter sind verzerrt und die Körper unförmig. Diese organische Anmutung resultiert auch daraus, dass der Autorenfilmer mit einem Tremor geboren wurde. Nicht durch den Stillstand erhält das Leben von Grace, Gilpert oder Pinky seinen bittersüßen Wert, sondern erst durch die Bewegung kann die wahre Farbsättigung im dunklen Bild entstehen. Elliot weiß genau, wie er die spezielle und aufwändige Animationstechnik einsetzen muss. Gleichzeitig huldigt er auch der Filmhistorie: Eine Explosion, die durch zahlreiche Wattebäusche realisiert wurde, erinnert an den Stop-Motion-Pionierfilm „Reineke Fuchs“ (1929/37).

Am Ende bleibt die Kunst

Adam Elliot scheint sich auch seiner eigenen Vergangenheit zu widmen. Homosexualität wird durch den umtriebigen Gilpert artikuliert, und seine eigenen Anfänge als junger Animateur kristallisieren sich durch Graces Passion für Stop-Motion. „Kindheit war wie betrunken sein. Jeder erinnert sich daran, was man getan hat, außer einem selbst“, zitiert Grace ihren verstorbenen Vater. In „Memoiren einer Schnecke“ symbolisieren Besitztümer besondere Momente der Vergangenheit. Sei es eine spezielle Schnecken-Spieluhr oder ein Ring, der sich nicht mehr ablegen lässt. Doch schließlich überwindet der Film die materialisierte Vergangenheit und verweist auf die Eingangspassage. Kunst wird zum Lebenselixier und befreit aus den Zwängen der Erinnerung, indem die Memoiren verarbeitet werden. Sei es in der performativen Kunst oder im Film – Adam Elliots Vater trat als akrobatischer Clown auf.

In nur 95 Minuten erzählt Elliots detailverliebtes Kunstwerk von einer schicksalsgeprägten Geschwisterbindung, ihren Träumen und Ängsten, sozialer Isolation und kreativer Freiheit, speziellen Freundschaften und falschen Partnerschaften. In seiner schwarzhumorigen Gangart zeigt der Film, dass das Leben mitunter nicht fair ist. Ein seltsamer Ort, voller schonungsloser Ironie und absurder Menschen. Menschen, die durch ihre Last und den Schmerz der Erinnerung vereint werden. Und die mit ihrem Tod etwas weitergeben. „Memoiren einer Schnecke“ legt clevere Fährten, die zwar erwartbar sind, aber in ihrer emotionalen Wucht dennoch überraschen. Wenn der Kitsch am Ende doch noch Einzug hält, fühlt er sich verdient an – als Trostpflaster nach einer langen, melancholischen Reise. „Memoiren einer Schnecke“ ist eine Ode an Außenseiter, die ihre vakanten Stellen durch die Kunst der Liebe und Liebe zur Kunst füllen können.

Veröffentlicht auf filmdienst.deMemoiren einer SchneckeVon: Felix Knorr (30.6.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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