
MIDAS MAN - 35. internationales Filmfest Emden-Norderney
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Filmkritik
Der Plattenladenbesitzer Brian Epstein (Jacob Fortune-Lloyd) ist gefesselt, als er 1961 zum ersten Mal im Liverpooler Cavern Club einer aus vier jungen Musikern bestehenden Band zuhört, die sich „The Beatles“ nennt. Er kann gar nicht anders, als der Manager dieser neuen Gruppe werden zu wollen. Die Beatles würden einmal berühmter als Elvis werden, sagt Epstein zu Beginn von Joe Stephensons Filmbiografie „Midas Man“ gerne, wenn er über seine Schützlinge visioniert. Da wird er noch ausgelacht. Doch sein Gespür dafür, wie sich Rock’n’Roll und Jugendkultur in den 1960er-Jahren verändern werden, trügt nicht. Zuerst muss er allerdings die Beatles selbst überzeugen, dass er der perfekte Manager für sie ist. Es ist seine Authentizität, die den Ausschlag gibt. Wenn er verspricht, dass er alles für ihre Karriere tun werde, gibt es keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln.
Ein Manager und Freund
Man muss sich bewusst machen, wie jung die Beatles waren, als Brian Epstein sie am 9. November 1961 im Cavern Club sah. Sie waren fast noch Teenager. Wild und ungezogen. Epstein musste sie nicht nur managen, sondern auch erziehen. Zumal Elternteile einiger der Beatles schon nicht mehr lebten. Für John Lennon (im Film gespielt von Jonah Lees) dürfte er fast so etwas wie ein Ersatzvater gewesen sein. Lennons Mutter war bereits gestorben, und seinen Vater hatte er, wie Lennon selbst einmal erzählte, bis zu seinem 22. Lebensjahr nur zweimal gesehen.
In „Midas Man“ spielt diese Beziehung zwischen Epstein und seinen Schützlingen eine entscheidende Rolle. Epstein, der zwar den Plattenladen NEMS (Northern End Music Stores) führt, aber als Manager keine Erfahrungen hat, will die Band nicht zu seinem Nutzen ausschlachten. Er will sie bedeutend und erwachsen machen. Management ist für ihn auch ein pädagogischer Akt. Entsprechend modifiziert er ihre Frisuren, ihre Kostüme und übt mit ihnen ein, wie sie sich nach ihrem Auftritt auf der Bühne verbeugen.
Die Szenen, in denen der mühsame Anfang ihrer Karriere zu sehen ist, wenn die Nachrichten selten positiv und die Enttäuschungen groß sind, machen zunächst den großen Reiz des Films aus. Cool inszeniert, getragen von den ausgezeichnet besetzten Darstellern der Beatles und dem elegant-smart aufspielenden Jacob Fortune-Lloyd als Brian Epstein, wird man köstlich unterhalten und staunt nicht schlecht: Kaum vorstellbar, dass ein Manager so dermaßen zugeneigt mit seinen Musikern umgeht. Großartig auch das erste Kennenlernen nach ihrem Konzert im Cavern Club, wenn Epstein zu ihnen in die Garderobe kommt und die frechen Jungs in ihren Lederklamotten ihn ganz schön auflaufen lassen. Fast schüchtern bietet er ihnen an, sie managen zu wollen – eine eigenartige Variante der Standardsituation „Vorstellungsgespräch“.
Einsamkeit im Privaten
Als die Karriere der Beatles so richtig ins Rollen gerät, treten erste Zerrüttungen auf. Um einige Zeitabschnitte zu überbrücken, wird eine schöne Bildidee verwendet, in der Epstein auf die rückwärtsfahrende Kamera zuläuft, während links und rechts von ihm mit Zeitungsmeldungen und weiterem Bildmaterial die Meilensteine der Karriere der Beatles vorüberziehen. Bei aller Freundschaft, die ihn mit den Musikern verbindet, deutet sich in dieser Einstellung, die mehrfach eingesetzt wird, schon eine Schieflage an. Da ist einer allein unterwegs, der Erfolg der Beatles rauscht an ihm vorbei, und die Gläser Hochprozentiges, die ihm aus dem Off gereicht werden, verheißen nichts Gutes.
Dass Epstein im Innersten zerrissen ist, weil er seine Homosexualität nicht ausleben kann und sich gerade deshalb bis zur Grenze der Erschöpfung in die Arbeit stürzt, wird zwar deutlich, aber letztlich zu gefällig in Szene gesetzt. Man könnte einwenden, dass Epstein als jemand inszeniert wird, der immer die Contenance wahren, der sich nichts anmerken lassen will, im Dienste seines Renommees und des der Beatles. Entsprechend müssten die Brüche auch nicht notwendigerweise drastisch gezeigt werden. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass allzu viel nicht gezeigt wird. Die LSD-Trips der Beatles während ihrer Tournee 1964/65 in den USA werden ausgeblendet. Epsteins Spielsucht ist allenfalls zwischen den Zeilen zu erahnen, der Drogenkonsum reduziert sich auf das gelegentliche Einwerfen von Pillen. Und über den Entzug in einer Klinik wird holprig hinweggehuscht.
Das überlange Mainstreamkino der letzten Jahre hätte Kürzungen meist bitter nötig. „Midas Man“ hingegen hätten ein paar Minuten mehr Intensität ganz gutgetan. Der Film will Brian Epstein ein respektvolles Denkmal setzen und glättet alles, was dies gefährden könnte. Herausgekommen ist dabei ein Film, der stilistisch als Sixties-Zeitbild und im Zusammenspiel des Ensembles durchaus reizvoll ist. Herausfordernd als Charakterstudie ist er eher nicht.