


- Veröffentlichung26.09.2025
- RegieDietmar Post
- ProduktionDeutschland (2024)
- Dauer82 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
Vorstellungen

Filmkritik
Das Setting ist denkbar einfach gehalten. Eine Musikerin mit dunkler Brille, ein grüner Stuhl, daneben ein Hocker, auf dem ein Bildschirm steht. Auf dem wird Material aus 45 Jahren als Flaschenpost zugespielt. Die 1960 in Hamburg geborene Künstlerin Mona Mur reagiert darauf, indem sie Fotos, Zeitungsausschnitte, Plattencover, Videoclips und Konzertmitschnitte kontextualisiert, erläutert oder korrigiert. Befragt wird sie von dem gut vorbereiteten Filmemacher Dietmar Post aus dem Off. Es handelt sich dabei nicht um eine freie Improvisation, sondern um das Resultat vorheriger Absprachen und Recherchen. Und es gibt keine Fußnoten durch Zusatzmaterial. Keine nostalgischen Talking Heads, die einordnen und bewerten. Mit einer einzigen Ausnahme spricht hier die Künstlerin für sich selbst. Weshalb das interessierte Publikum mit Namen wie Throbbing Gristle, Alan Vega, KMFDM, Monika Treut, Elfi Mikesch oder Christel Buschmann vertraut sein sollte.
Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen
Später sagt Mona Mur, dass es ihre größte Sorge sei, auf Nostalgie-Nummern festgelegt zu werden. Sie wollte nicht dazu verdammt sein, die alten Songs zu performen, wie die „Retromania“ gerade auf breiter Front die Musik der 1980er-Jahre hochspüle. Dazu passt, dass der Film als Einstieg die Gegenwart von Mona Mur wählt, die auf Einladung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge Brechts „Ballade vom ertrunkenen Mädchen“ im Bendlerblock vorführt. Wobei sie den Song selbst schon sehr lange interpretiert – mit dem Einverständnis der Brecht-Erben, wie sie nicht ohne Stolz zu Protokoll gibt.
Damit ist ein Anfang gemacht; die Zeitreise kann beginnen. Mona Mur, die mit bürgerlichem Namen Sabine Bredy heißt, stammt aus einem Elternhaus mit galizischen Wurzeln. Die Mutter ist Polin und singt gerne russische Lieder. Die Tochter ist musikalisch, spielt als Autodidaktin mehrere Instrumente, hadert aber mit dem Begriff „Popmusik“. Früh entdeckt sie Schwergewichte des Genres wie „Black Sabbath“ oder „The Doors“ für sich. Zunächst ein Hardcore-Hippie, setzt sie ein Konzert der britischen Band „The Stranglers“ auf ein anderes Gleis. Fortan ist sie Teil der Hamburger Underground-Post-Punk- und Wave-Szene mit Bands wie „Abwärts“ oder „Front“, einschlägigen Locations und Plattenläden.
Zugaben erübrigen sich
Als Mona Mur nimmt Bredy eine Single auf; ihre Begleitmusiker sind einschlägige Szenegrößen, was später für das Projekt „Mona Mur“ zum Problem wird. Die Single wird „Single of the Week“ im britischen „New Musical Express“ – ein Traumeinstieg in eine internationale Karriere. Doch die bleibt aus, aus unterschiedlichsten Gründen. Die befreundeten Musiker sind mit eigenen Projekten wie den „Einstürzenden Neubauten“ beschäftigt. Das Projekt „Mona Mur“ verfügte damals nur über ein Repertoire von sieben Songs, die allerdings derart brachial und intensiv interpretiert werden, dass nach 50 Minuten Spielzeit keine Zugaben mehr nötig sind. Andere, ambitionierte Projekte mit Major-Labels oder auch eine durch Vermittlung von Dieter Meier produzierte Großproduktion in Polen werden nicht oder erst Jahre später veröffentlicht.
Bredy gibt sich im Gespräch mit Post selbstbewusst, abgeklärt und tough. Im Verlauf der Konversation wird aber auch deutlich, dass die Widerstände, mit denen sie sich immer wieder konfrontiert sah, Wunden hinterlassen haben. Dass Filmemacherinnen wie Monika Treut, Christel Buschmann oder Elfi Mikesch ihre Musik schätzten und in ihren Filmen einsetzen, hat Bredy seinerzeit nicht wirklich registriert. Dass die kommerzielle Musikindustrie männlich dominiert ist und für Künstlerinnen nur bestimmte Rollen zur Verfügung stellt, dagegen schon. Es gab durchaus Phasen, in denen die Sängerin vom Singen „die Schnauze voll“ hatte.
Ohne allzu viele Kompromisse
Überdies änderten sich die Moden des Zeitgeistes und der Musikindustrie. Der dunkle, morbide Proto-Industrial-Rock aus der Mitte der 1980er-Jahre war in den Neunzigern weitgehend abgemeldet. Es bedurfte eines forcierten Retro-Revivals wie in „Gegen die Wand“, wo Mona Murs Musik und auch Bredy selbst prominent mit von der Partie waren – und sie die überraschende Wertschätzung ihrer Kunst genießen konnte. Immer wieder öffnete sich eine Tür zu neuen Projekten, sei es elektronische Musik, seien es Soundscapes für Computerspiele oder eine US-Tour an der Seite eines früheren Kollegen der Band KMFDM.
Am Schluss steht das Fazit, dass Sabine Bredy als Mona Mur vielleicht keinen Riesenhit gelandet hat, dafür aber ihr Leben mit ihrer eigenwilligen Musik bestreiten konnte. Ohne allzu viele Kompromisse eingehen zu müssen. Was sie als „ihren“ Hit wertet. Außenstehende mit etwas Sinn für Pathos würden das vielleicht als Überleben in Niederlagen formulieren, zumindest phasenweise.
