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Nam June Paik: Moon Is the Oldest TV

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Nam June Paik ist ein Fixstern der Kunstavantgarde des 20. Jahrhunderts und wohl der berühmteste koreanische Künstler der Moderne. Seine bahnbrechenden Arbeiten waren für den internationalen Durchbruch der Meidenkunst in den 1960er und 1970er Jahren maßgeblich. Schon früh hatte er die Vision einer Zukunft, in der „jeder seinen eigenen Fernsehkanal haben wird“, durch Social Media sind seine Visionen heute unsere Realität. Nun bringt die Regisseurin Amanda Kim zum ersten Mal die Geschichte von Paiks rasantem Aufstieg in der Kunstwelt auf die Leinwand: von seiner Ausbildung in München und seinen Anfängen in der Fluxus-Bewegung bis hin zur Auswanderung nach New York und seiner Etablierung als Pionier der Videokunst.
NAM JUNE PAIK: MOON IS THE OLDEST TV ist eine Meditation über die paradoxe Macht der Massenmedien, gleichzeitig autoritäre Tendenzen zu befeuern und interkulturelle Verständigung zu stärken. Der Film verbindet selten gesehenes Archivmaterial und Auszüge aus Nam June Paiks Texten mit Begegnungen mit seinen Weggefährt*innen wie John Cage, Marina Abramović, Joseph Beuys, Charlotte Moorman oder Peter Brötzmann.
  • Veröffentlichung11.09.2025
  • Amanda Kim
  • Vereinigte Staaten (2023)
  • 109 Minuten
  • Dokumentarfilm
  • FSK 12
  • 6.9/10 (275) Stimmen
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„Ha-ha-haha-ha-ha-hahaaaa“. Der koreanische Künstler Nam June Paik (1932-2006) steht mit leuchtenden Augen vor einem Fernseher. Er spricht, singt und hustet in ein Mikrofon, während auf dem Bildschirm eine farbige Linie, die wie ein Möbiusband verschlungen ist, je nach Tonhöhe und Intervall ihre Gestalt wandelt. Für Paik, der unter anderem bei Karlheinz Stockhausen als Komponist ausgebildet wurde, ist das Gegenüber nie statisch, sondern ein Element der Gestaltung, egal ob Monitor, Cello, Fernsehbild, Live-Fernsehsendung oder Krawatte. Bei der Performance „Etude for Pianoforte“ (1960) im Atelier von Mary Bauermeister in Köln demolierte Paik ein Klavier, bevor er von der Bühne ins Publikum sprang und den Schlips seines Freunds und Mentors John Cage mit einer Schere abschnitt und ihm die Haare shampoonierte.

Charisma und Schalk

Als Protagonist eines Dokumentarfilms ist der Pionier der Video- und Medienkunst Nam June Paik eine dankbare Figur. Er besaß Charisma und Schalk, sprach viele Sprachen im Kauderwelsch und vor allem „Paikisch“ (Wulf Herzogenrath), und er verstand es, mit seinen Aktionen und Auftritten einen stets fröhlichen Wirbel zu verursachen. Von Paiks Erfindungsreichtum zeugen zahlreiche Dokumente: Fotos, Archivaufnahmen, Interviews, Fernsehauftritte, aber auch Erzählungen. Es sei unterhaltsamer, sich an „Etude for Pianoforte“ zu erinnern, als tatsächlich dabei gewesen zu sein, so Cage.

Die koreanisch-US-amerikanische Regisseurin Amanda Kim lässt sich in ihrem Dokumentarfilm von Paiks Agilität anstecken. „Nam June Paik: Moon is The Oldest TV“ ist ein äußerst quirliger Film, temporeich und überbordend. Die Erzählung ist dennoch klassisch linear; auch verzichtet der Film nicht auf die in Künstlerdokumentationen übliche Zitat-Collage aus Superlativen. Paiks Werdegang wird chronologisch nachgezeichnet, von der Kindheit und Jugend im von Japan besetzten Korea, über das Studium in München, Freiburg und Köln, wo er mit Karlheinz Stockhausen im Studio für elektronische Musik des WDR arbeitete, über seine Fluxus-Zeit und die Jahre in New York bis hin zu den ersten institutionellen Ausstellungen und den letzten Lebensjahren. Neben zahlreichen Weggefährten, Kuratorinnen und Künstlerkolleg:innen gibt auch Paik selbst Auskunft – der südkoreanisch-US-amerikanische Schauspieler Steven Yeun liest Auszüge aus seinen Schriften.

Die Begegnung mit John Cage im Jahr 1958 war für Paik eine Zäsur, mehr noch: der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Fortan sprach er von „BC“ und „AC“ („before“ beziehungsweise „after Cage“). Cages Überlegungen zur Unbestimmtheit in der Musik und das dahinterliegende Konzept kreativer Freiheit inspirierten ihn zu seinen dadaistisch-anarchischen Performances.

Geburtsstunde der Medienkunst

Seine erste Einzelausstellung, „Exposition of Music – Electronic Television“ 1963 in der legendären Galerie Parnass in Wuppertal gilt als „Geburtsstunde der Medienkunst“. Bereits der Titel markierte den Übergang von der Musik zum elektronischen Bild. Zum Einsatz kamen vier präparierte Klaviere, mechanische Klangobjekte, mehrere Schallplatten- und Tonbandinstallationen, zwölf modifizierte Fernsehgeräte und ein frisch geschlachteter Ochsenkopf, der über dem Eingang hing.

1964 siedelte Paik in die „Kommunikationshauptstadt“ New York über. Eine Performance mit der Cellistin Charlotte Moorman, mit der Paik die berühmten „TV Bras“ entwickelte und über Jahre künstlerisch zusammenarbeitete, endete mit einer Verhaftung. In den Augen seiner Familie, die er nach seinem Weggang nie wieder sah, galt er als Schande. Der Film lässt auch den Rassismus der westlichen Gesellschaft nicht unerwähnt, ebenso wie Paiks bittere Armut in den ersten Jahren in New York.

Visionäre Videoarbeiten

Paiks Videoarbeiten gelten als visionär. Er entdeckte den Mond im Fernseher und arbeitete als einer der ersten mit der Portapak, eine Videokassetten-Kamera. 1969 entwickelte er gemeinsam mit dem japanischen Ingenieur Shuya Abe den sogenannten „Paik-Abe-Video Synthesizer“, ein Gerät, das Signale von Videokameras und -bändern verfremden, verzerren, überlagern und einfärben konnte. Mit dem experimentellen Video „Global Groove“ (1973), das Paik für den amerikanischen Fernsehsender WNET produzierte, nahm der Künstler die mediale Vernetzung der Welt vorweg. Ein Jahr später entstand seine ikonischste Arbeit, „Buddha TV“. Eine Buddha-Statue sitzt vor einem Monitor und betrachtet ihr Abbild, das zeitgleich von einer Kamera aufgenommen wird.

Dem Diktat der Algorithmen zu folgen und sich von den Endlosschleifen sozialer Netzwerke berieseln zu lassen, wäre für Paik undenkbar gewesen. Er war ein Erfinder und Kommunikator, der die Menschen zu Kreativität und Partizipation bewegen wollte. Zeit seines Lebens arbeitete er an Möglichkeiten, Technologien auf eine lebendigere, menschlichere Art zu denken und zu gestalten. Denn, so Paik: „Jeder Tag ist für mich ein Kommunikationsproblem.“

Veröffentlicht auf filmdienst.deNam June Paik: Moon Is the Oldest TVVon: Esther Buss (1.9.2025)
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