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Filmkritik
„Asoziale Tragödien in menschlicher Form“: So urteilt Valentina Allegra De Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) über die renitenten Figuren, die sich im 36. „Marvel Cinematic Universe“-Film zum schlagkräftigen Team zusammenraufen müssen. Die Fontaine, Chefin der CIA – und aus MCU-Filme wie „The Falcon and the Winter Soldier“, der Post-Credit-Szene von „Black Widow“ und „Black Panther: Wakanda Forever“ bekannt - ist zwar eine versierte Lügnerin, aber in diesem Fall bleibt sie doch nahe an der Wahrheit. Bei den „Tragödien“ handelt es sich um: Yelena Belova (Florence Pugh), die Schwester der Black Widow - als Kind wurde sie vom sowjetischen „Red Room“ zur Meisterkillerin dressiert, ging später aber eigene Wege und leidet nun noch unter dem tragischen Tod ihrer großen Schwester. US-Soldat John Walker (Wyatt Russell) – für kurze Zeit war er der designierte Nachfolger von Steve Rogners als Captain America, dafür aber moralisch ungeeignet und deswegen schnell wieder des Vibranium-Schilds enthoben. Und Ava Starr alias Ghost (Hannah John-Kamen) – sie verfügt seit einem bizarren Quanten-Unfall über die Fähigkeit, sich zu dematerialisieren, ist aber auch sonst eine ziemlich instabile Persönlichkeit.
Unterschätze nie die Antihelden!
Die drei Sonderlinge dienten De Fontaine eine Weile als Handlanger und wurden mit ihren besonderen Fähigkeiten für dubiose Missionen eingesetzt. Jetzt aber stellen sie zusammen mit anderem kompromittierendem Material eine Belastung für sie dar. Denn der CIA-Frau sitzt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Nacken, der ihren Umtrieben bei der Entwicklung eines Superhelden-Serum nachspürt. Eigentlich sollte es kein Problem sein, die unliebsam gewordenen Handlanger gegeneinander auszuspielen. Doch wenn Yelena, John und Ava in einem gut sind, dann darin, anderen Probleme zu bereiten.
Schützenhilfe bekommen sie dabei bald von zwei anderen Antihelden: Bucky Barns (Sebastian Stan), der seine Vergangenheit als willenloser Winter Soldier im Dienste Hydras mittlerweile so weit hinter sich gelassen hat, dass er es zum Kongressabgeordneten geschafft hat und nun in den Untersuchungen gegen De Fontaine mitwirkt. Und Alexei Shostakov aka Red Guardian, Yelenas verkorkstem Vater (David Harbour): ein tragikomisches Überbleibsel aus Sowjet-Zeiten, das sich nach längst verblasster Heldengröße zurücksehnt und seine Tochter retten will.
Mit neuem Herzblut Richtung „Phase 6“
Mit „Thunderbolts*“ beendet das „Marvel Cinematic Universe“ seine Phase 5 und versucht, aus einem Fähnlein Nebenfiguren aus früheren Filmen etwas zu formen, was in die Fußstapfen der Avengers treten kann. Es wird auch höchste Zeit. Seit den beiden „Infinity War“-Filmen am Ende von Phase 3 hat das MCU zunehmend an innerem Zug verloren. Die aktuelle „Multiverse Saga“, die mit „Black Widow“ (2021) begann, mäandert oft amüsant, aber immer öfter auch redundant von einem actionkomödiantischen Spektakel zum nächsten, ohne dass es inhaltlich um viel mehr ginge, als die alten Erfolgsrezepte neu anzurühren und die Superhelden-Figuren von Spider-Man über Black Panther bis zu Captain Marvel wie Jonglierbälle im Spiel zu halten.
Dass sich daraus wieder ein größeres Ganzes formen könnte, hat sich in Phase 5 nur zögerlich abgezeichnet, und noch weniger der Ehrgeiz, das Superhelden-Genre als Gegenwartsmythos etwas über uns erzählen zu lassen, was über spielerisch-selbstreferenziellen Kindergeburtstag hinausgeht. Die Marvel-Serien auf Disney+ hatten teilweise mehr Ambitionen; so hat sich zuletzt das im März 2025 gestartete Comeback von Daredevil in „Daredevil Born Again“ als fulminantes Antidot gegen die „super hero fatigue“ erwiesen, mit einer Story, die auf beklemmende Weise die politischen Disruptionen der US-Gegenwart spiegelt. Damit kann „Thunderbolts*“ zwar nicht mithalten, lässt aber zumindest wieder echtes Herzblut fühlen.
Ans psychosoziale Eingemachte
Die Politthriller-Elemente, die an „Captain America: Brave New World“ anschließen und um die Versuche der Manipulatorin De Fontaine kreisen, sich selbst als neue, starke Garantin für öffentliche Sicherheit zu inszenieren, während sie insgeheim mit Hilfe ihres Superheldenserums nach der Macht greift, bleiben eher an der Oberfläche. Mitunter fühlt man sich zwar bei der Figur an die ehrgeizig-manipulative Konzernchefin Madelyn Stillwell aus Staffel 1 von „The Boys“ erinnert; von der galligen Gesellschaftskritik der Serie an einer US-Gesellschaft, die ihre demokratische Ordnung aus Angst, Gier und/oder Dummheit preiszugeben droht, ist „Thunderbolts*“ aber weit entfernt. Stattdessen fokussieren sich die Drehbuchautoren Joanna Calo und Eric Pearson durchaus wirkungsvoll aufs Psychosoziale. Der Film kreist um Figuren, die sich allesamt isoliert und unwert fühlen, und thematisiert in fantastisch überhöhter Form Depression und „Mental Health“-Probleme als Ballast der krisengerüttelten Gen Z. Diese wird nicht nur von Florence Pugh verkörpert, die kraftvoll und ausdrucksstark das emotionale Zentrum der „Thunderbolts*“ darstellt, sondern auch von einer Art „Wild Card“ namens Bob (Lewis Pullman), einem scheinbar harmlos-hilflosen jungen Mann, den Yelena und Co. in einer geheimen Anlage von De Fontaine auflesen, der als „Sentry“ aber schließlich die zentrale Bewährungsprobe für die „Thunderbolts*“ liefern wird.
Teambuilding oder Gruppentherapie
Inszenatorisch profitiert der Film von Regisseur Jake Schreier davon, dass die meisten Figuren mit Blick auf ihre Fähigkeiten recht menschliches Format haben: Die Action, die die Thunderbolts entfesseln, funktioniert weniger über Energiestrahlen und anderen magischen Zinnober, sondern hat etwas sympathisch Handfestes. Sehr schön ist etwa eine Sequenz, in der das mühsame Zusammenwachsen der Thunderbolts rein körperlich ausagiert wird. Die Figuren versuchen, aus einem tiefen Schacht mit tückisch glatten Wänden zu entkommen. Da keiner von ihnen fliegen kann, müssen sie sich gegenseitig Halt geben und gemeinsam koordiniert agieren, um aus der Falle zu entkommen. Und wenn im Finale dann doch wieder das Effekt-Bombastische und Fantastische fröhliche Urstände feiert, dann nicht selbstzweckhaft, sondern so, dass es motivisch stimmig an das zuvor etablierte Psychodrama anschließt. Ist das noch Teambuilding oder doch eher Gruppentherapie? Egal, die Macher servieren es mit so viel Warmherzigkeit, dass es wirkt.
Zum „Gamechanger“, der dem kompletten MCU-Unterfangen neues Leben einhauchen könnte, reicht „Thunderbolts*“ zwar nicht. Dafür ist der Film weder formal noch inhaltlich innovativ genug. Ein unterhaltsames Antidepressivum in Zeiten, die viel Anlass geben, sich innerlich ausgehöhlt und leer zu füllen, ist er aber allemal.