









- Veröffentlichung01.05.2025
- ProduktionDeutschland (2023)
- Dauer92 Minuten
- GenreKomödie
- Cast
Vorstellungen

Filmkritik
In bester Horror-Manier beginnt das Spielfilmdebüt von Alice Gruia inmitten von Badkacheln – und endet auch dort. Wenn es dazwischen trotzdem lustig werden soll, braucht es einen starken Willen zur Perfektion, ein paar fehlbare Mitmenschen und die Bereitschaft zur Kapitulation. Gleich in der ersten Szene wird der Filmstudentin Willie (Lou Strenger) im 1980er-Badezimmer ihrer verstorbenen Oma übel. Stoisch murmelt sie etwas von einem Virus in die fahrige Kamera ihres Männerdutt tragenden Freundes Männie (Jean Paul Baeck). Es kann hier sowieso nur alles „übelst“ werden, wie es einmal heißt. Warum also nicht gleich alles rauskotzen?
Ein Wiedersehen nach 25 Jahren
Ein Filmdreh steht an, es ist Willies Abschlussfilm; der muss um jeden Preis gelingen. Dass sie schwanger ist, weiß vorerst nur sie. Darum soll es auch gar nicht gehen, sondern um ihr wahres Baby, den Film; und um ihren eigenen Status als ehemals ungewolltes Kind. Ihre Eltern haben sich seit 25 Jahren nicht gesehen. Willie ist bei ihrem brummig-gutmütigen „Papi“ Jürgen (Markus John) aufgewachsen. Ihre Mutter Gloria (Catrin Striebeck) hat sich, als Willie noch klein war, nach Portugal davongemacht, um „keine traurige Mutter“ zu sein. Nun will die Tochter das erste Wiedersehen der beiden Ex-Partner filmen und möglichst authentisch dokumentieren, wie sich ein Konflikt als Mittel zum Zweck entfaltet. Nur sich selbst hat sie als Faktor nicht mitberücksichtigt.
In immer wieder abreißenden, durch Schwarzblenden voneinander getrennten Sequenzen baut Gruia ungeachtet aller Found-Footage-Ästhetik ein sorgfältig konstruiertes, witziges Mockumentary-Kammerspiel um einen scheiternden oder vielleicht gerade dadurch gelingenden Abschlussfilm. Wobei eine scheiternde und vielleicht gerade dadurch gelingende Familienzusammenführung herauskommt. Die ist so Mumblecore-rumpelig inszeniert, dass beinahe nicht auffällt, wie konventionell die Geschichte inhaltlich bleibt.
Immer tief durchatmen
Anders als der realen Regisseurin scheint Willie nicht klar zu sein, wie sie sich und die Mitwirkenden hätte vorbereiten sollen; und auch nicht, was vor die Kamera gehört und was nicht. Ihre Fragen an die Eltern hat sie fahrig auf einen Zettel geschmiert, „Papi“ weiß anfangs nichts von der anstehenden Begegnung mit der Ex und bringt deshalb seine zweite Frau Uta (Johanna Gastdorf) mit, die ihre eigene unglückliche Geschichte mit sich herumschleppt. Mutter Gloria wiederum rechnet nicht mit Uta und flüchtet sich in Coaching-Sprechweisen und tiefe Atemzüge. Für alle Beteiligten gibt es also eine Fülle von Dingen, Menschen und Zuständen, die sie nicht gebrauchen können.
Nur einer hat seinen Spaß und erkennt in all dem willkommenes Spielmaterial: der Adoptivbruder André (Florian Geißelmann). Der junge Mann scheint seinerseits aber auch gerade eine Phase zu durchleben, in der es um die Beschäftigung mit der eigenen Herkunft geht. So erfährt man nebenbei, dass er Rumänisch lernt, weil seine leiblichen Eltern möglicherweise aus Rumänien stammen. Doch mehr als eine Randbemerkung ist das nicht. Viel lieber filmt André heimliche Bekenntnisse, die nicht für die Kamera gedacht sind. Er animiert seine Schwester zu „krassen“ Einstellungen und dreht einfach alles nochmal auf seine eigene B-Movie-Art neu. Für ihn ist Filmemachen ein „Jungsding“ mit Dirigieren, Draufhalten und Drastik, während es für Willie ein berufsbildendes Bewältigungsprogramm gegen Identitätskrisen darstellt.
Von solchen Geschlechterklischees erzählt „Seid einfach wie ihr seid“ schon durch seinen Titel doppelbödig. Niemand weiß hier so genau, wie er oder sie eigentlich ist oder sein könnte. Was die Figuren dabei auf der Suche nach sich selbst am laufenden Band produzieren, ist eine Anhäufung von Störendem, Destruktivem und Unnützem – was dennoch immer wieder Schönes, Lustiges und Verbindendes hervorbringt.
Mehr amüsieren als kommentieren
Männies Kamera erscheint dabei wie eine göttliche Instanz, die Rollen zuweist sowie Pflichten und Gebote formuliert. Er selbst hält sich betont zurück, wird von den sich hochschaukelnden Dynamiken allerdings bald mitten hinein und vor die Kamera gezogen. Die Mitwirkenden schauen ratsuchend, um Komplizenschaft heischend oder flehentlich in die sprunghaft unzuverlässige, gnadenlose Kamera. Manchmal identifizieren sie das Objektiv als Feind, auf den sich alle Schuld projizieren lässt. Zugleich ist es aber auch die Instanz, der man unbedingt gerecht werden will. So möchte Gloria keinesfalls als „alter Talking Head“ langweilen. Jürgen gibt sich redlich Mühe, doch Uta fragt sich, wer sich das anschauen soll. „Das wird ein Film für Festivals“, ist Willie überzeugt. Uta: „Also für niemand.“ Seitenblick in die Kamera.
Gruia, die für ihren Dokumentarfilm „Rodicas“ (2012) ihre Großmutter und deren beste Freundin porträtiert hat, weiß um die Herausforderungen, Menschen zu filmen, die sich möglichst natürlich geben sollen. Mit ihrem punktgenau agierenden Ensemble ist ihr die Illusion unbedarfter Unmittelbarkeit bestens gelungen. Man könnte „Seid einfach wie ihr seid“ als ironischen Kommentar zu autofiktionalen Hochschulfilmen lesen, die sich um Unmittelbarkeit und „echtes Leben“ bemühen und von Regiehandwerk und Schauspielerführung manchmal nicht viel mehr verstehen als die undeutliche Aufforderung: „Seid einfach wie ihr seid.“ Doch der Film will eher amüsieren als kommentieren. Statt eine medienkritische These zu bebildern oder den deutschen Alltagshorror zwischen Eichenholzvertäfelung, Butzenscheiben und Küchenrollenspender bloßzustellen, übernimmt der Film Andrés Haltung. Vielleicht ist nicht alles Spiel, aber sowohl das Vorgefundene wie auch das Inszenierte taugen zum Spiel – und erst das Spiel weitet den Raum und sprengt die Enge.