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Filmkritik
Manchmal muss man nur lange genug über etwas reden, manchmal reichen auch nur ein paar diffuse Bilder im Netz – und schon ist die Fiktion näher an der Wahrheit als es einem lieb sein kann. Seit 2009 macht der „Slender Man“ seine Runde im World Wide Web. Eine schemenhafte Gestalt von hagerer, gesichtsloser Erscheinung. Sie hat es vornehmlich auf junge Menschen abgesehen, denen sie nachstellt, sie in Besitz nimmt und spurlos verschwinden oder wahnsinnig zurück lässt. Offensichtlich reichen ein paar nebulöse Schemen und eine Handvoll Andeutungen, den Rest erledigt das digitale Gezwitscher innerhalb der Community. Inzwischen gibt es bereits Gerichtsakten über Nachahmer im echten Leben, und es gibt eine erste Hollywood-Adaption. Darin wird der „Slender Man“ zum „Slenderman“, womit die Profanisierung eines Mythos ihren Lauf nimmt. Eigentlich wollten die Jungs „ihn“ während eines geheimen Treffens rufen. Es ist ganz einfach, den Slenderman auf sich aufmerksam zu machen. Man muss nur das geheime Video im Netz anklicken, die Augen nach dem ersten Glockenschlag schließen und nach dem dritten wieder öffnen – und schon hat man der Gestalt, die im Halbdunkel des Waldrands scheinbar regungslos verharrt, ein Entree verschafft. Doch es sind Wren, Hallie, Chloe und Katie, nicht die Jungs der Clique, die das Wesen schließlich herbeilocken. Das ist ein tödlicher Fehler, wie sich herausstellt. Denn wenige Tage nach der nächtlichen Internet-Session verschwindet Katie bei einer Klassenfahrt in den lichten Wäldern. Ein Verlust mit Folgen. Denn er sät Zwietracht und macht die Freundinnen glauben, dass die Legende wahr ist und ein hagerer Tentakelmann ihre Kleinstadt unsicher macht. Zumindest die drei Mädchen wissen, was den Erwachsenen verborgen bleibt: Der Slenderman ist gekommen, um sie zu holen. Es braucht eigentlich nicht viel, um einen Mythos filmisch auf der Leinwand zu erwecken. Es reicht, Andeutungen auszustreuen, mit etwas unheimlicher Musik unterlegt ins Geäst zu zoomen und darauf zu warten, dass die Zuschauer in dem Gewirr aus Stämmen und Sträuchern eine Silhouette erahnen. Ein kurzer Schnitt, und schon ist der Schrecken da. Umso erstaunlicher, dass Regisseur Sylvain White aus diesen dankbaren Bedingungen in „Slenderman“ so wenig macht. Mit banalen Anleihen bei „Candyman“ (fd 30 002) und japanischen Horrorfilmen à la „Ring“ ließe sich der „Slenderman“-Virus leicht ausarbeiten, der ja offensichtlich nur Jugendliche befällt. Doch die Inszenierung lässt die Protagonisten zunächst quälend lange auf der Stelle treten. Es passiert kaum etwas, und wenn, dann nur träge und in sträflich schlechter inszenatorischer Auflösung. Wer wann träumt und erschreckt aus dem Schlaf hochfährt, scheint ebenso willkürlich, wie der Umstand, wann der Slenderman wen und zu welchem Zweck einen Besuch abstattet. Der mit Genreversatzstücken hantierenden Regie fehlt ein Konzept, um dem Kommen und Gehen des Slenderman eine zeitliche Struktur oder irgendeine Art von Logik zu geben. Vorbilder wie „Nightmare on Elmstreet“ (fd 25 237), in denen das Monster sehr spannungsfördernd immer nur im Schlaf auftaucht, werden kopflos kopiert, nicht sinnvoll variiert. Was erzählt werden soll, außer dass es ein gespenstisches Wesen auf Kinder abgesehen hat, bleibt reichlich diffus. Überdies geraten die CGI-Auftritte des Monsters von Mal zu Mal lächerlicher. Andeutungen wären hier viel effektiver gewesen. Dass man nach viel Leerlauf, einigen Schockmomenten und mittelprächtiger Schauspielkunst im Finale mit fesselnden fünf Minuten belohnt wird, macht den Film nicht besser; zumal es sich am Ende nur um den stimmungsvoll gestalteten Abspann handelt. Es hat fast etwas Tragisches, wenn aus derart viel Potenzial so wenig gemacht wird. Dazu passt in gewisser Weise, dass der Film in Deutschland mit einer FSK-Freigabe „ab 16“ genau jene Zielgruppe der 14- bis 16-Jährigen ausschließt, die sich ob eines solchen Mummenschanzes noch gruseln würden.