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Tampopo

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Die beiden japanischen Trucker Gun und Goro kommen hungrig in eine Stadt. Dort essen sie in einem kleinen Restaurant, in dem die junge Witwe Tampopo Ramen – die traditionelle japanische Nudelsuppe – kocht und serviert. Allerdings laufen die Geschäfte dort nicht sonderlich gut und so beschließt das ungleiche Trucker-Paar – der Eine ist noch ziemlich jung; der Andere schon älter, dafür aber erfahrener – der Besitzerin des Ladens und ihrer Familie zu helfen. Gemeinsam wollen sie den Laden zum führenden Restaurant für Ramen machen. Doch dazu muss zunächst einmal die Kunst der Nudelsuppe erlernt werden. Um dies zu erreichen, spionieren die beiden findigen Trucker nicht nur die Rezepte der Konkurrenz mit allerlei Tricks aus, sondern verbünden sich auch mit einigen erstaunlichen Leuten.

Leider gibt es keine Kinos.

Ein Gangster betritt die Bildfläche. Er wendet sich direkt an die Zuschauer, läßt eine Haßtirade gegen die Chips-Esser vom Stapel, die im Kino stören. Dann spricht er vom letzten Film, der in der Sekunde des Todes abläuft. Das Ende steht fest, der Film kann beginnen. - Zwei Lastwagenfahrer überfällt der Hunger, als sie sich der Lektüre eines Buches hingeben, das die "Ramen-Philosophie", den richtigen Genuß der japanischen Nudelsuppe, zelebriert. Sie machen Rast in einer kleinen Nudelstation und dabei die Bekanntschaft der Inhaberin Tampopo (Löwenzahn/Pusteblume). Goro findet Gefallen an der jungen Witwe, liefert sich gleich am ersten Abend einen Faustkampf gegen eine Übermacht von Lokalmatadoren und spielt fortan eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Er wird sie auf ihr Bitten hin zur perfekten Nudelsuppenköchin ausbilden. Dabei ist Kondition ebenso gefragt wie Sachkenntnis; ersteres ist schnell, aber schweißtreibend zu erreichen, dem Geheimnis der Suppe muß man jedoch mit Geduld, Tricks und Ausdauer auf die Spur kommen. Nicht nur Goros Beifahrer Gun hilft der Witwe, bald stößt auch ein "Suppen-Professor" zu der Truppe, der Anführer von Tokyos "nouvelle cuisine"-verwöhnter Penner-Clique ist. Ein Chauffeur mit Nudelkenntnis sorgt für den richtigen Biß der Teigwaren, der Vorstadtschläger entpuppt sich als gewiefter Innenausstatter. Tampopos Karriere steht nur noch der letzte Test im Wege; endlich sind die fünf Freunde nach vielen Enttäuschungen zufrieden, das große Essen kann beginnen.

Diese Inhaltsangabe ist lediglich der rote Faden, der Juzo Itamis zweiten Spielfilm zusammenhält. Ihm übergeordnet ist ein Ideengeflecht, das die Bedeutung des Essens in einen nicht nur für Japaner nachvollziehbaren sinnlichen Lebenszusammenhang stellt. Die Kamera schwelgt in Bildkompositionen von Gerichten, die das Auge ebenso wie den Magen ansprechen, die Geschichte ufert in Erzählungen aus, die an Buñuel oder an Otar Iosselianis "Die Günstlinge des Mondes" erinnern. Personen tauchen auf, die Kamera führt ihre Geschichte als ausschmückende und kommentierende Facette in den Gesamtzusammenhang ein. Da erscheint erneut der weißgekleidete Gangster vom Beginn, für den Essen unweigerlich mit Eros verbunden ist und der auch in der Sekunde seines Todes nur ans Essen denkt; ferner ein Mann, dessen im Sterben liegende Frau nur mit dem Befehl "Mach das Essen für die Kinder!" noch einmal zu einem kurzen Leben erwacht; schließlich ein reicher Herr, der fast am Essen erstickt und mit einem Staubsauger gerettet wird, sowie eine Gruppe von Managern, die sich angesichts einer französischen Speisekarte nicht gerade weltmännisch verhalten und von einem Büroboten düpiert werden. Inszeniert ist diese rasante und abwechslungsreiche Enzyklopädie des Essens im Stil eines Westerns, der Anleihen beim Gangsterfilm und Samurai-Epos nimmt und alles mit Slapstick mischt; eine auf den ersten Blick wüste, aber in sich stimmige Mischung, die sich nicht nur in Gesten, Blicken und Posen ausdrückt, sondern bis in die Kameraeinstellungen, Auschnittsgrößen und die Filmmusik durchkomponiert ist. Dabei dürfte der intelligent unterhaltende Film mit vielen satirischen Spitzen in einigen Details nicht jedermanns Geschmack treffen; für Freunde hintergründiger Unterhaltung und eines nicht normierten Kinos bietet er aber weitgehend Genuß ohne Reue.

Veröffentlicht auf filmdienst.deTampopoVon: Hans Messias (29.8.2025)
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