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Filmkritik
Mit Lieblingsbands verbinden Fans nicht nur die Musik, sondern vor allem Gefühle und Erinnerungen. Manches Paar fand durch eine gemeinsame Lieblingsband zusammen, manches Kind wurde zur Musik der elterlichen Lieblingsband gezeugt. Wenn eine Band auseinanderbricht, kommt das für eingefleischte Fans mitunter einer Katastrophe gleich. Die Musiker, die einen in guten wie schlechten Zeiten begleitet haben und die mitunter sogar als geistige Wegbegleiter angesehen werden, sind plötzlich nicht mehr da. Das ist wie bei der Trennung von einem Partner: Man fühlt sich verlassen oder sogar betrogen.
Charles (Tim Key) war einst so ein Fan, von dem Folk-Music-Duo Mortimer-McGwyer. Er ist nicht nur leidenschaftlicher Sammler von seltenen Platten oder Musikinstrumenten des Duos. Ihre Musik erinnert ihn auch an seine vor fünf Jahren verstorbene Frau. Charles wohnt auf einer abgelegenen englischen Insel im Atlantik. Trotz des Schicksalsschlages mit dem Tod seiner Frau hat er im Leben auch Glück gehabt: Gleich zweimal knackte er im Lotto den Jackpot und ist nun Millionär. Um sich einen persönlichen Traum zu erfüllen, lädt er das musikalisch wie privat längst getrennte Musiker-Duo für ein Konzert auf sein Eiland ein.
Alles geht schief
Doch schon beim Empfang von Herb McGwyer (Tom Basden) geht alles schief. Es gibt keinen Hafen und auch keinen Steg auf der Insel; der ungeschickte Charles befördert den Musiker und seinen Koffer prompt ins Wasser. McGwyer hat weder trockene Kleidung noch ein funktionierendes Handy und muss ein uraltes Münztelefon benutzen. Er fällt überdies aus allen Wolken, als er die „Konzertbühne“ entdeckt. Er hat mit einem Auftritt vor etwa hundert Menschen gerechnet. Doch Charles mag keine Menschenmassen. Deshalb ist er der einzige Zuschauer an einem steinigen Strand am Meer; mit seiner Ankündigung von „unter 100 Menschen“ hatte er nicht einmal gelogen.
Doch McGwyer soll auch kein Solokonzert bestreiten. Denn seine Ex-Partnerin Nell Mortimer (Carey Mulligan) erscheint kurz darauf auf der Insel, zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann; mit ihrem früheren Kollegen soll sie nun den Gig bestreiten.
In der Musikkomödie von James Griffiths hat alles eine Bedeutung. Den Fall ins Wasser interpretiert McGwyer als eine Taufe, einen Neuanfang. Er ist noch immer in der Vergangenheit gefangen, idealisiert wie Charles die alten Zeiten, und will der Realität nicht ins Auge sehen. Andererseits sind seine inneren Wunden noch nicht vernarbt, obwohl er als Rockmusiker auch solo erfolgreich ist. Doch seine Gefühle für Mortimer sind immer noch da. So schwelgen die beiden in Erinnerungen, streiten über die Vergangenheit und nähern sich kurzzeitig auch wieder an. Doch immer ist der trampelige Charles mit dabei und verhindert eine Aussprache der beiden.
Zwei Stimmen, eine Ballade
„The Ballad of Wallis Island“ trägt die Musikrichtung des Duos bereits im Titel. Eine Gitarre und zwei sich ergänzende Stimmen reichten, um das Publikum mit sanften, gefühlvollen Songs einzulullen. Doch nicht alles, was harmonisch klingt, ist in Eintracht entstanden. McGwyer und Mortimer hatten unterschiedliche Ziele, was noch immer nachhallt. Auch ihre Motivationen für das Konzert sind unterschiedlich. Das klaustrophobische Setting der Insel sollte eigentlich für eine Katharsis sorgen. Das tut es auch, aber anders als gedacht, und nicht für alle Protagonisten.
Der Film basiert auf dem Kurzfilm „The One and Only Herb McGwyer Plays Wallis Island“ (2007). Er wurde wie das Drehbuch des Langfilms von Basden und Key geschrieben, ein Komiker-Duo, das schon Ewigkeiten zusammenarbeitet. Für die Langversion wurden die Figuren mit Background-Storys ausgestattet und andere Figuren dazuerfunden. Doch die Geschichte bleibt übersichtlich und lebt von vielen absurden Situationen und der Entwicklung der sehr unterschiedlichen Protagonisten. Der anfangs als kauzig-verpeilter Einzelgänger gezeichnete Charles schwingt sich immer mehr zum heimlichen Helden des Films auf. Seine ungeschickte Art zeitigt Missverständnisse und komische Situationen. Mit seinem unverstellten Wesen berührt er nicht nur das Publikum, sondern auch McGwyer – und schließlich auch noch eine weitere Person. Die Figur Mortimers gerät darüber in den Hintergrund.
Im Kern ist diese Komödie mit ernsten Untertönen ein Buddy-Movie über zwei sehr unterschiedliche Männer, die Dinge an sich und über den anderen entdecken, die sie bislang ignoriert haben. Auch die Differenz zwischen Star und Fan verschwindet auf der Insel, auf der für alle die gleichen begrenzten Möglichkeiten gelten. Je mehr der Fan den Musiker kennenlernt, desto mehr verschwindet dessen Aura. Auf der Insel gibt es keinen Glamour; man kann sich nicht hinter einem Image verstecken.
Die Geschichte einer Besinnung
Die sympathische Komödie plätschert recht unterhaltsam vor sich hin und erinnert an ähnliche britische Filme, etwa an „Still Crazy“, da sie ganz von ihren anrührenden Helden lebt. Auch die unberührte Natur der Insel, das Meer und das äußerst limitierte Angebot von Freizeitangeboten sowie die sehr überschaubare Anzahl an Einwohnern sorgen dafür, dass sich McGwyer auf das Wesentliche konzentriert. Mit den eigens für den Film geschriebenen Musikballaden erzählt „The Ballad of Wallis Island“ die Geschichte einer Besinnung und eines Neuanfangs.