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Filmkritik
Eine schwangere Frau wird in der U-Bahn von einem rüden Kerl belästigt. Selbst als er sie beschimpft und schlägt, denkt niemand unter den zahlreichen Mitreisenden daran, einzugreifen. Doch eine Minute später liegt der Mann tot auf dem Bahnsteig. Dass ihn die betagte, mit Schlapphut und Sonnenbrille offensiv unauffällig gekleidete Hornclaw (Lee Hye-yeong) auf dem Gewissen hat, geht im Getümmel unter. Den Pöbler hat sie vermeintlich zufällig angerempelt, um ihm ihre vergiftete Messerspitze ins Fleisch zu stechen. Nicht aus einer Laune heraus, sondern ausgeklügelt geplant und mit kalter Professionalität umgesetzt.
Hornclaw arbeitet für eine sich als wohltätig verstehende Agentur, die die Welt mit Auftragsmorden vor bösen Menschen befreien will. Die Stärken der ältesten Angestellten sind ihre erstaunlichen Nahkampffähigkeiten und ihre eiserne Disziplin. Um ihren Job möglichst effizient auszuführen, verzichtet sie auf jegliches soziale Leben. Und sie profitiert von ihrem trügerischen Äußeren, das für eine Frau Anfang sechzig ungewöhnlich gebrechlich wirkt. Immer wieder reizt sie diesen Überraschungseffekt aus, bevor sie ihre Widersacher mit ein paar entschiedenen Handgriffen in die Schranken weist oder auch direkt ins Jenseits befördert.
Die Killer-Veteranin gerät in Bedrängnis
Der Action-Thriller „The Old Woman with the Knife“, der auf Gu Byeong-mos, mittlerweile auch auf Deutsch übersetztem Roman „Frau mit Messer“ basiert, etabliert seine scheinbar unbesiegbare Veteranin, um ihren Status wenig später ins Wanken zu bringen. Zum einen kriselt es zwischen Hornclaw und ihrer Agentur, die ihre Aufträge zunehmend nach finanziellen statt moralischen Kriterien auswählt. Zum anderem bekommt sie mit dem unberechenbar sadistischen Bullfight (Kim Sung-cheol) einen neuen jungen Kollegen, der es aus mysteriösen Gründen auf sie abgesehen hat.
In doppelter Hinsicht befindet sich die Protagonistin in einem Schwellenzustand. Sie ist eigentlich schon im Rentenalter, während die jüngere Konkurrenz droht, sie zu verdrängen. Und als sie sich mit dem netten Tierarzt Dr. Kang (Yeon Woo-jin) und seiner Bilderbuchfamilie anfreundet, öffnet sie sich zum ersten Mal emotional, was in ihrem Beruf die größte Gefahr darstellt. Regisseur Min Kyu-dong reichert die Bedrohungen und Gewissenskonflikte, mit denen seine Heldin konfrontiert wird, mit rasant geschnittenen Kampfszenen an, in denen Hornclaw zunehmend ihre anfängliche Souveränität verliert. Mit Rückblenden wird zudem immer mehr von ihrer Vorgeschichte enthüllt; bis zu jenem Ereignis, das Hornclaw in der Gegenwart zum Verhängnis wird.
Die Erzählung schlingert
„The Old Woman with the Knife“ wirkt mitunter weniger wie ein Film als wie eine zusammengeschnittene Serie, die zwischen Action-Setpieces, gefühlvollen Ausreißern und Erinnerungen aus der Vergangenheit das Wesentliche immer wieder aus dem Blick verliert. Die schlingernde Erzählweise bleibt zwar abwechslungsreich, bringt aber auch einige Flauten mit sich. Erschwerend dazu kommt, dass der Film nicht nur wegen seiner sehr klassischen Geschichte über den existenziellen Kampf einer moralisch integren Unterwelt-Einzelgängerin allzu bekannt wirkt, sondern auch durch seine Machart sehr vertraut ist.
Mit seinen großen Genreproduktionen ist das südkoreanische Kino zum Gütesiegel geworden. Viele seiner Eigenschaften finden sich auch in „The Old Woman with the Knife“: Hochglanz-Bilder, eine bewegte Kamera, durch Mark und Bein gehende Kampfszenen, expressive Ausleuchtung und große Gefühle. Doch diese Merkmale gerinnen hier teilweise zum Klischee. Viele Wendungen und Enthüllungen wie auch ästhetische Spielereien wirken ein wenig formelhaft, man hat sie schon zu oft gesehen. Vor zwei Jahren erschien mit „Kill Boksoon“ bereits ein südkoreanischer Actionfilm über eine alleinerziehende Killerin, die wegen eines moralischen Konflikts ihre Auftraggeber gegen sich aufbringt. Zu Min Kyu-dongs Film hat er inhaltlich wie auch visuell verblüffende Parallelen.
Handwerkliches Können hält bei der Stange
Dennoch steckt in „The Old Woman with the Knife“ auch viel Können, was die epische Laufzeit über weite Strecken sehr unterhaltsam macht. Das souveräne Schauspiel, die atmosphärischen Settings in Hinterhöfen und Fabrikhallen, die dynamische Inszenierung und die emotional aufpeitschende Musik schaffen es, trotz manch berechenbarer Kniffe, den Zuschauer mit erhöhtem Puls ins Geschehen zu involvieren.



