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Filmkritik
Wer ist Zsa-Zsa Korda? Ganz genau weiß man das auch am Ende von Wes Andersons jüngstem Film „Der phönizische Meisterstreich“ nicht. Doch die Figur ist ein Faszinosum, ein Charismatiker durch und durch. Um ihn und seine Geschichte(n) herum erzählt Anderson – im Unterschied zu seinen bisherigen üppig besetzten und bebilderten Episodenfilmen – die Lebensgeschichte von Zsa-Zsa Korda (Benicio Del Toro) in seinen mittleren und späten Jahren. Ein Tycoon der Old Economy, der mit Schiffen, Eisenbahnen, Staudämmen und ähnlichem sein Geld verdient, in einem epochal etwas unbestimmten Europa inklusive Nahost während des mittleren 20. Jahrhunderts. Kordas eigene Hagiografie – er richtet sich hin und wieder ausführlicher direkt ans Publikum – wird dabei durch einige düstere Details und kritische Beleuchtungen ergänzt, die seine Tochter Liesl (Mia Threapleton), eine ehemalige Novizin, sowie Bjorn Lund (Michael Cera) dazu beitragen, ein Mann mit vielen Eigenschaften, der hauptsächlich als Kordas Assistent fungiert.
Eine unsterbliche Trickster-Figur
Nach absurd vielen, absurd ersonnenen Attentatsversuchen, denen Korda wie durch Wunder stets knapp entging – sein Lebensmotto lautet dementsprechend auch „I am not in the habit of dying“ –, ernennt er Liesl unter Aussparung seiner vielen jungen Söhne zu seiner rechten Hand und Alleinerbin seines beträchtlichen Vermögens. Zusammen mit ihr und Lund macht er sich daran, seine finalen Industriellenträume zu verwirklichen – koste es, was es wolle; darauf spielt das „The Phoenician Scheme“ im englischen Originaltitel an.
Dabei geht er zunächst so vor, wie er es als robuster Dealmaker schon immer gehalten hatte – mit cleveren Tricks und mancherlei Betrügereien; nicht umsonst nennt man ihn auch Mister Five Percent. Denn neben vielen anderen Aspekten ist Korda auch eine moderne Version der unsterblichen Trickster-Figur.
Doch bei kritischer Betrachtung ist er weit mehr als das. Es scheint fast so, als sei Wes Anderson hier endgültig unter die Schöpfer neuer Mythologien gegangen und habe in Zsa-Zsa Korda eine facettenreiche synkretistische Gestalt erschaffen, die sich Züge der größten mythischen Archetypen leiht. Kordas notorische Unsterblichkeit sowie die teils blutrünstige Ausbeutung seiner geschäftlichen Gegner gemahnen an Graf Dracula; die Gerüchte, er habe einige seiner vielen Gattinnen eigenhändig entsorgt, erinnert an Herzog Blaubart. Am prägnantesten aber sind die Parallelen, mit denen sich Korda der Faust-Figur annähert, und zwar derjenigen des zweiten Teils der Tragödie. So wie Faust zum Ende seines Lebens nach der Erkenntnis die Tat setzen und „Werke der völkerverbindenden Technik“ (Thomas Mann) erschaffen möchte (nicht ohne Hintergedanken an ewigen Ruhm) und so wie er sich dabei des Rates und der Unterstützung von sinistrer Seite versichert, verfährt auch Zsa-Zsa Korda bei seinen Projekten. Dass es dabei ebenso um einen Dammbau geht und Widerständen gleichfalls wenig zimperlich begegnet wird, macht die stofflich-motivische Bezugnahme nur umso augenfälliger.
Mit überbordender Fantasie
Die rasanten Fahrten von Korda und seiner Entourage um den halben Erdball, geleitet von der Absicht, mit seinen fünf Prozent der Ermöglicher wichtiger zivilisatorischer Pläne zu werden – und dabei Kasse zu machen –, gleichen einer verkürzten „Reise um die Erde in 80 Tagen“ – und geben dem Produktionsdesign von Anna Pinnock und Adam Stockhausen reichlich Gelegenheit, noch mehr denn je zu glänzen! Die luxuriösen Wagen, Privatflugzeuge sowie Sonderzüge sind ihre Domäne; die vielen Details daran und darin das Resultat einer überbordenden Fantasie – bei gleichzeitiger absoluter historischer Akkuratesse!
Dabei kommt auch Wes Andersons spezieller Humor nicht zu kurz, etwa in der Szene, in der Korda sich genötigt sieht, zwei US-amerikanische Partner, die er betrogen hat, wieder zu besänftigen – zu ihren Bedingungen, in einem improvisierten Basketballspiel, welches sich zwischen Benicio Del Toro, Tom Hanks, Bryan Cranston und Riz Ahmed entrollt. Natürlich versammelt auch die Besetzung von „Der phönizische Meisterstreich“ wieder viele Stars der ersten Liga, deren Herausforderung vor allem darin besteht, ihre drei Minuten Anderson-Ruhm so präzise und prägnant wie möglich zu gestalten. Was ihnen allesamt gelingt.
Doch auch das Drehbuch wartet in einer doppelbödigen Strategie gleichsam mit einem mehrfachen Schrift- und Bildsinn auf. Nicht von ungefähr sind wesentliche Episoden der Handlung in Phönizien angesiedelt, einer altertümlichen Bezeichnung für eine Region, die heute pauschal als Nahost bezeichnet wird. Die geradezu mythische Rivalität zwischen Zsa-Zsa und seinem ungeheuer bärtigen Bruder Nubar (Benedict Cumberbatch) spielt darauf sogar noch deutlicher an. Die poetische Behandlung von modernen Konflikten, die wohl erst in einem entrückten Jenseits ausverhandelt werden, was Anderson ebenso wolkig gestaltet, verschafft Kordas Kabalen ebenso delikat wie hintersinnig einen narrativen Background, ohne den sie sich wahrscheinlich dem Verdacht des rein Eskapistischen ausgesetzt sähen.
Wer ist Zsa-Zsa Korda?
Wer ist Zsa-Zsa Korda? Am Ende jedenfalls ein anderer, was ganz wesentlich auf den Einfluss seiner Tochter zurückzuführen ist. Wieder denkt man unwillkürlich an Faust („Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan“), und wieder kann man nicht umhin, diesem Meisterstreich von Wes Anderson für seinen originellen Erfindungsreichtum auf allen künstlerischen Ebenen ungeteilte Bewunderung zu zollen – und es für sein bislang bestes und unterhaltsamstes Werk zu halten.