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Filmkritik
Exorzistenfilme (oder Parodien davon) sind nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil die darin von Dämonen befallenen Mädchen sich so kameratauglich in grässlich grunzende Monster verwandeln und anatomisch unmögliche Verrenkungen vollführen. Mit Filmen über Marienerscheinungen haben Exorzistenfilme die junge weibliche Hauptfigur gemein sowie eine mal geneigtere, mal kritischere Beurteilung der Katholischen Kirche.
Der US-Horrorfilm „The Unholy“ von Evan Spiliotopoulos erzählt von einem jungen Mädchen und der ihr (angeblich) erschienenen Jungfrau Maria, will dabei aber auf die spektakuläre Bildästhetik der Exorzistenfilme samt ihrer Symbolik nicht verzichten. Zunächst geht es jedoch um einen gestrauchelten Journalisten. Gerald Fenn (Jeffrey Dean Morgan) war einst der Starreporter eines Bostoner Nachrichtenmagazins, wurde dann aber wegen erfundener Storys gefeuert. Bei einem Gelegenheitsjob in einem Städtchen in Massachusetts entdeckt der an der Flasche hängende Journalist in einem morschen Baum eine Puppe. Sie ist mit Ketten behängt und dem mysteriösen Datum „31. Februar“ beschriftet.
Garstige Wach- und Nachtträume
Das seltsame Artefakt war schon in der Eingangssequenz zu sehen. Dort wird im Jahre 1845 eine Frau als Hexe hingerichtet; ihr Geist dringt anschließend in die Puppe ein. Um eine Story in Gang zu bringen, zertritt Fenn die Puppe und setzt dabei unfreiwillig den Geist der „Hexe“ frei. Kurze Zeit später kann Alice, die taubstumme Nichte des örtlichen Priesters, sprechen. Sie heilt einen gelähmten Jungen und behauptet, im Auftrag der Jungfrau Maria zu handeln. In Wirklichkeit wird sie von der auf Rache sinnenden Untoten gesteuert, die auch Fenn in garstiger Gestalt in seinen Wach- und Nachtträumen heimsucht.
Nachdem ein Video des „Wunders“ viral gegangen ist, strömen Pilger und Presse gleichermaßen in die Kleinstadt. Auch der Bischof (Cary Elwes) nimmt sich der Sache an und will mithilfe eines vatikanischen Gesandten erkunden, ob es sich um eine echte Marienerscheinung handelt. Doch während die Verehrung von Alice durch die Pilger bereits hysterische Züge angenommen hat und der umtriebige Bischoff die Stimmung für die Kirche ausnutzt, passieren erste Todesfälle. Nur Fenn, der Priester und die Ärztin Natalie (Katie Aselton) erkennen den Ernst der Lage.
Die Läuterung eines Gefallenen
„The Unholy“ erzählt eigentlich die schwierige Läuterung eines in Ungnade Gefallenen. So muss der Journalist seine Schuld sühnen und sich dabei des Phantoms erwehren, das mit grauer Kutte und Kapuze durch den Ort schleicht, kriecht oder fliegt. Die Aufgabe des Reporters, die Gemeinde vor dem bösen Geist zu schützen, wird durch seinen lädierten Ruf erschwert; die Spukgestalt wiederum führt einen Vernichtungsfeldzug und muss zugleich die unschuldige Alice (Cricket Brown) verführen.
Sie gibt dem zuvor ignorierten Mädchen eine Stimme und ein Gesicht. In Zeiten viraler Verehrung steigt Alice rasch zum Star in den sozialen Medien auf und spricht für andere Vernachlässigte. Nur in wenigen Szenen sieht man der jungen Frau ihren inneren Dämon an – dann werden ihre Pupillen schwarz und weiten sich unheimlich. Ansonsten ist die schaurige Untote für die Schockelemente zuständig und demonstriert in einigen Traumsequenzen auch die genreüblichen Verrenkungen.
Die Spezialeffekte fallen allerdings ziemlich bescheiden aus. Zuweilen wirken sie sogar unfreiwillig komisch; nur die effektiv eingesetzte Tonspur und einige abrupte Schnitte sind für gruselige Momente gut. Das Film des bislang primär als Drehbuchautor bekannten Regisseurs Evan Spiliotopoulos ist ein B-Movie, das aber nicht trashig genug ausfällt, um Hardcore-Horrorfans für den immerhin von Sam Raimi produzierten Film zu interessieren. Cineasten werden indessen auffallende Parallelen zu dem französischen Drama „Die Erscheinung“ (2018) von Xavier Giannoli entdecken. Auch dort bekam es ein traumatisierter Reporter (Vincent Lindon) mit einer vermeintlichen Marienerscheinung zu tun, die vor allem als Katharsis des Protagonisten diente.
Aus der Perspektive des Opfers
Doch wo „Die Erscheinung“ trotz eines realistischen Anspruchs eine erstaunliche Volte zur Verklärung des „Unerklärlichen“ vollzog, wird das Übernatürliches in „The Unholy“ recht offenherzig hingenommen. Zwar versucht die Ärztin, sich der wundersamen Verwandlung von Alice zunächst mit rationalem Sachverstand zu widersetzen. Doch dann erkennen Fenn und sie das Gespenst als Gegner an und fügen sich in Denken und Handeln in das Horroruniversum ein. Auch die Vertreter der Kirche zeichnet der Film mal als besonnene, den Gläubigen verpflichtete Priester, mal in Gestalt des Bischofs als Opportunisten und Profiteur.
„The Unholy“ reflektiert das Horrorgenre nicht selbstreferenziell à la „Scream“, punktet im ersten Drittel jedoch mit witzigen Dialogen, einigen schönen Bildern und originellen Einstellungen. So ist die Hinrichtung zu Beginn aus der Perspektive des Opfers gefilmt. Auch legitimiert der Film seine Reflexion über Gut und Böse, Verführung und Wehrhaftigkeit mit einem Luther-Zitat („Wo Gott eine Kirche baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben“) und anderen Bibelstellen. Allerdings kann sich der Film nicht zur Rehabilitierung des 1845 exekutierten Opfers oder zum Nachdenken über die Rolle die Kirche bei den Hexenverfolgungen durchringen. „The Unholy“ erweist sich damit als gut gespielter, leidlich unterhaltsamer, aber auch recht banaler Horrorfilm, der dem Genre keine neuen Facetten abgewinnt.