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Deception - Tödliche Täuschung

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Tagsüber besucht Mary eine Klosterschule, abends verschlingt sie Geschichten über wahre Kriminalfälle. Als eine Mitschülerin ermordet wird, ist Marys Jagdinstinkt geweckt. Zunächst hält sie den dubiosen Tony für den Täter. Aber der ist ein Undercover-Polizist. Der wahre Mörder hat sie natürlich schon längst im Visier…

Leider gibt es keine Kinos.

Das Problem mit Clint Eastwoods neuem Film ist, daß er zu viel auf einmal will: einen Krimi, eine moralische Ehegeschichte, einen zynischen Blick in die Zeitungswelt, einen Kommentar zur Rassenfrage und ein Argument gegen die Todesstrafe. Jeder dieser Themenkreise hätte für einen separaten Film gereicht; in ihrer angestrebten Verschmelzung werden sie jedoch alle unter Preis verkauft. Obwohl „Ein wahres Verbrechen“ also mit komplexen Handlungselementen vollgestopft ist, kommt der Film nur langsam in Fahrt und kreist so ausschließlich um seinen von Alter, Alkohol und Apathie heimgesuchten Helden, daß die Ereignisse um ihn herum mehr und mehr die Funktion von Stichwortgebern für eine umständliche persönliche Rechtfertigung annehmen.

Der Mann im Mittelpunkt ist Steve Everett, ein alternder Zeitungsreporter, dessen guter Ruf bei seinem Hinausschmiß in New York geblieben ist. Nun arbeitet er – wenn er nüchtern ist – für einen Zyniker bei der „Oakland Tribune“. Obwohl „glücklich“ verheiratet, kann er seine Finger nicht von anderen Frauen lassen, nicht einmal von der Frau seines Redaktionskollegen. Das einzig Sympathische an ihm ist eigentlich seine illusionslose Selbsterkenntnis. Nur eines, meint er, sei ihm aus besseren Tagen verblieben: seine Nase. Deren Witterung folgt er denn auch, als ihm wenige Stunden vor der Hinrichtung eines zum Tode verurteilten Farbigen die Aufgabe zufällt, eine „human interest“-Kolumne über die letzten Gedanken des Todgeweihten zu schreiben. Was niemandem beim Prozeß oder in den folgenden sechs Jahren aufgefallen ist, Steve Everetts Nase nimmt es in Sekundenschnelle wahr: Der Verurteilte ist unschuldig. Zwischen vernachlässigten Familienpflichten und versuchter Schadensbegrenzung im Fall seines jüngsten Fehltritts spürt Everett den brüchigen Indizien nach, die den des Mordes angeklagten Schwarzen in die Todeszelle gebracht haben. Der Hauptbelastungszeuge war ein wichtigtuerischer Steuerberater, ein Weißer natürlich, der die Fakten nur ein klein wenig manipuliert hat, genug jedenfalls, um die unerfahrene Pflichtverteidigung des fälschlich Beschuldigten aus den Angeln zu heben. Im Wettlauf mit der Zeit verliert Everett auf ganzer Linie im privaten Bereich, vermag aber den bereits an die Tötungsmaschine angeschlossenen Farbigen zu retten.

Kurz vor Schluß sieht es fast so aus, als wolle sich der dahinschlingernde Film noch zu einem deutlicheren Appell an sein Publikum aufraffen. Um ein Haar nämlich wären Everetts Beweise zu spät gekommen. Doch die „wahren Verbrechen“ – darauf spielt wohl der Originaltitel an – sind in der Vorstellung der drei (!) Autoren nicht die hinter Gittern verbüßten, sondern die im Alltag zugedeckten. Eastwood hat sich unbekümmert darüber hinweggesetzt, daß er für die Hauptrolle viel zu alt ist, und hat die im zugrundeliegenden Roman ganz anders gemeinte Figur zu einer Art persönlichem Statement umgemünzt. Der resignative Blick auf einen Bonvivant, dessen Selbsterkenntnis und -kritik stets etwas Melancholisches an sich haben, ist zumindest mit einem Hauch von Autobiografie versehen, wofür auch die Ansiedlung des Films in Eastwoods Heimatstadt und die Besetzung gleich mehrerer Rollen mit seiner eigenen Tochter und zwei der in seinem Leben wichtigen Frauen ein Indiz abgeben.

Leider ist dieser Steve Everett aber für das Publikum weitaus weniger interessant als für Eastwood selbst. Was an Faszination von ihm ausgeht, erhält er allein durch Eastwoods Verkörperung, die sich irgendwo zwischen den Hauptfiguren von „Erbarmungslos“ (fd 29 800) und „Weißer Jäger, schwarzes Herz“ (fd 28 303) einpendelt. Doch der Mythos nutzt sich allmählich ab, vor allem, wenn der Regisseur Eastwood so wenig Gespür für filmische Dramatik an den Tag legt wie hier. Von der ersten Szene an ist die Handlung quasi vorbestimmt und absehbar. Der Wettlauf mit dem Tod, der nicht vor dem letzten Viertel des Films an Tempo und Ernsthaftigkeit gewinnt, erscheint mehr wie ein Vorwand denn wie ein Anliegen. Über lange Strecken herrscht jedenfalls der Eindruck vor, daß weniger das Leid des Verurteilten als das Selbstmitleid des zufällig auf dessen Schicksal gestoßenen Reporters im Mittelpunkt steht. Damit soll nicht gesagt sein, der Film verkaufe das Thema der Todesstrafe als billigen Effekt, aber das Hauptinteresse der Handlung liegt eben doch woanders – gemessen an der Wichtigkeit, die dem Komplex Todesstrafe im sozialen und politischen Umfeld des heutigen Amerika zukommt, ziemlich an der Peripherie.

Veröffentlicht auf filmdienst.deDeception - Tödliche TäuschungVon: Franz Everschor (3.11.2025)
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