

- RegieSho Miyake
- GenreDrama
- Cast
Vorstellungen
Filmkritik
Dramen mit Humor möge er, aber keine reinen Komödien, alles hänge davon ab, wie die menschliche Traurigkeit erzählt werde. Der schroffe Mann, der hoch oben in den schneebedeckten Bergen eine kleine Unterkunft betreibt, die wohl länger keinen Gast beherbergte, hat über die Kunst des Geschichtenerzählens entschiedene Ansichten. Zum Beispiel diese Herberge: Darüber lohne es sich doch zu schreiben. Die Drehbuchautorin Li zeigt sich offen für seinen Vorschlag und zückt den Bleistift. Doch kaum will sie dieses und jenes wissen – was hat es mit der Kinderzeichnung auf sich, wer hat das Gemälde auf der Schiebetür gemalt –, ist die Unterhaltung auch schon versiegt. Offenkundig hat die Reisende mit ihren unschuldigen Fragen in die Wunde einer zerbrochenen Ehe gefasst.
Spätabends ist Li in der Herberge gestrandet, nachdem sie sich ohne Plan und Hotelreservierung einfach auf den Weg in ein entlegenes Dorf machte. Das alte Holzhaus versinkt fast im Schnee, ringsum erstreckt sich eine weiße, meterhohe Decke in die Weite. Benzo, der Inhaber der Herberge, weist ihr einen Schlafplatz in der anderen Ecke des Zimmers zu und legt sich schlafen. Am nächsten Morgen überlässt er ihr einen Tisch zum Schreiben. Ein ähnliches Bild, Li am Schreibtisch, vor ihr ein leeres Notizbuch, steht auch am Anfang von „Two Seasons, Two Strangers“ von Sho Miyake.
Ihre Worte tragen den Film in ein Dorf am Meer
Die Bilder, die in Lis Kopf langsam Form annehmen, hinterlassen auf ihrem Gesicht einen lebendigen Ausdruck. Sie beginnt zu schreiben, und ihre Worte tragen den Film in ein Dorf am Meer und in die warme Jahreszeit. Im Film-im-Film streift Nagisa, eine junge Frau, allein durch den Küstenort, auch hier kommt es zu einer Begegnung. Die Verbindung zwischen Nagisa und Natsuo bleibt ähnlich vage und annähernd tröstlich, trägt aber einen zugleich erotischen wie düsteren Unterton. Natsuo behauptet, in seinem Leben noch niemanden getroffen zu haben, der unglücklicher sei als er. Am Strand erzählt er, dass vor langer Zeit die Leichen einer Frau und ihres halb skelettierten Babys in einem Fischernetz gefunden wurden. Sie verabreden sich für den nächsten Tag am Strand, ein Taifun zieht auf, es regnet in Strömen. Sie essen Mitsumame, eine aus Algen gemachte Süßspeise, und schwimmen im aufgewühlten Ozean.
„Two Seasons, Two Strangers“ basiert auf einem Manga von Yoshiharu Tsuge – genau genommen sind es zwei Geschichten („Mr. Ben and his Igloo“ und „A View of the Seaside“), die Sho Miyake sehr einfach und ohne große metatextuelle Anstrengungen miteinander verwoben hat. „Geistig nicht herausfordernd, sehr sexy“, wird Lis Filmprofessor bei einem Q&A über die Verfilmung sagen, die zuvor als Film-im-Film zu sehen gewesen war. Später berichtet Li, dass ihr Drehbuch eine Auftragsarbeit war, basierend auf Yoshiharu Tsuges Manga „A View of the Seaside“.
Von Bildern und einer verknappten Sprache aus gedacht
Dass Miyakes feinfühliger Film von Bildern und einer verknappten Sprache aus gedacht ist, zeigt sich in den klaren Einstellungen und dem gelegentlichen Hang zu fast zeichenhafter Reduktion. Sicht- und spürbar wird Yoshiharu Tsuges Vorlage auch in der Prägnanz der Szenen und der schwer greifbaren Stimmung zwischen Traurigkeit und Komik. Gespräche verebben, das Wesen menschlicher Begegnungen bleibt unverständlich, es gibt kurze Augenblicke von Nähe und gegenseitigem Verständnis, oft aber auch Ratlosigkeit und das Zurückfallen in die eigene kleine innere Welt.
Die verbale Sprache offenbart sich in „Two Seasons, Two Strangers“ grundsätzlich als etwas Begrenztes. Manchmal, so Li in dem (im Bild zu lesenden) Off-Text, würden Dinge passieren, die sich nicht in Worte fassen ließen: „Überraschung und Verwirrung treiben mich weit weg. Dann möchte ich einfach nur dort stehen bleiben, weit weg von Worten. Aber Worte finden mich immer wieder, ohne Ausnahme.“ Auch wenn sich Lis und Benzos Gespräche verfehlen, scheinen sie die Einsamkeit des anderen zu verstehen. Nach einem abenteuerlichen Ausflug an einen Karpfenteich erwacht Li aus einem traumreichen Schlaf. Sie will die Bilder aufschreiben, aber dann ist alles verschwunden.